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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 2
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Lamm, Albert: In Memoriam Curt Herrmann
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Glaser, Curt: Alte italienische Möbel: bei Herrmann Gerson
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0098

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SCHREIBSCHRANK
FLORENZ, 15. JAHRHUNDERT

AUSGESTELLT BEI HERRMANN GERSON, BERLIN

Pforten des Reichtums schlugen, fand den Beifall derer, für
die Herrmann zu schaffen gedacht hatte. Dem wilden Lärm
wurde der Erfolg unter jenen Menschen, zwischen deren
leisen Manieren Herrmann einmal mit seinem odi profanum
sich daheim gewähnt hatte. In dem wilden Geschwätz, das
die neue Kunstübung zunehmend umbrandete, wurde seine
lehrhafte Stimme viel zu schwach. Und dann kam die Schick-
salswende des ganzen Landes, in der alles Leben von einst
sich wandelte. Herrmann sah sich wie in einen Abgrund
gerissen. In dem stiller gewordenen Pretzfelder Schlosse lebte
er nun als einer der Einsamsten.

Fast bis zu seinem siebzigsten Jahre war Curt Herrmann
von einer großen Frische und aristokratischer, gelassener
Heiterkeit gewesen, und ließ in seinem Äußeren seine Jahre
so wenig als seine Lebensmühen um das Werk erraten. Dann
kam ein plötzliches Abrechnen, Abbrechen. Niemand von
uns weiß, was wirklich in ihm vorging; aber wir sahen mit
Traurigkeit, daß er plötzlich ein von Grund aus veränderter
alter Herr geworden war. Er hörte zu malen auf, und sprach
nie mehr über seine Theorien. Wenn ich nach Pretzfeld
kam, redeten wir nur noch von gemeinschaftlichen Erinne-
rungen. An einem Winterabend saßen wir einmal in leiser
Unterhaltung nahe beim Ofen; ein Zufall ließ uns in Menzels
Holzschnitten blättern. Herrmann wurde aus seiner Melancholie
langsam aufgerüttelt und ging mit einer Begeisterung auf
die Blätter ein, die ich vor Menzel bei ihm noch nie gesehen
hatte. „Wenn man das ansieht, weiß man doch, daß man einfach
gar nichts kann!" Ich wollte ihn aufreizen, ihn auf das eigene Ma-
len zurücklenken, wie man einen Kranken schmeichelnd lenkt.
„Ach, lieber Freund — ist doch alles Blödsinn gewesen!"

ALTE ITALIENISCHE MÖBEL
BEI HERR MAN N GERSON

"l^\ie Geschichte des Möbels beginnt nicht früher als im
fünfzehnten Jahrhundert. Unsere Kenntnis älterer,
mittelalterlicher Möbelformen ist erstaunlich gering, und
das scheint nicht nur daran zu liegen, daß die Überliefe-
rung versagt, sondern auch daran, daß die Wohnbedürf-
nisse des mittelalterlichen Menschen mit einem sehr viel
geringeren Hausrat befriedigt waren, als die wachsende
städtische Kultur der neuen Zeit erforderte. So kann man
wohl behaupten, die italienische Frührenaissance habe, viel-
fach gewiß auf Anregungen der Antike zurückgreifend, die
Urformen des modernen Möbels erzeugt, und es erklärt sich
hieraus der Eindruck zeitloser Geltung, die gerade die frü-
hen Typen des Renaissancemöbels bewahrt haben.

Man findet diesen Eindruck bestätigt in der schönen
Ausstellung alter italienischer Möbel, die Herrmann Gerson
jetzt veranstaltet. Diese Truhen und Bänke, diese Schränke
und Tische sind in ihren einfachen Grundformen uns minder
fremd geworden als die überreich verzierten und geschweiften
Möbel des Barock, die aus den Salons des achtzehnten Jahr-
hunderts in die Wohnräume der sehr anders gearteten und
gekleideten Gesellschaft unserer Zeit sich hinübergerettet

haben. Gewiß hat das wachsende Luxusbedürfnis reichere
Formen und der Wunsch nach Bequemlichkeit angenehmere
Sitzmöbel erzeugt, als sie die strenge Kunst der primitiven
Meister kannte. Aber dem Geschmack einer Zeit, die sich
des Ornamentes so gründlich entäußert und die Wohnungen
von überflüssigem Plunder gereinigt hat wie die unsere,
sind die architektonisch gebauten Möbel der Frühzeit näher
als ihre malerisch bewegten und plastisch dekorierten Nach-
fahren.

Gute und echte Möbel der italienischen Renaissance sind
heute seltener als harmlose Italienreisende glauben mögen,
die in den Läden der Antiquitätenhändler die Erzeugnisse
einer blühenden Fälscherindustrie kennen lernen. Die Möbel,
die Gerson zeigt, stammen fast alle aus einer alten und
bekannten Sammlung. Nicht wenige sind in der Literatur
genannt und in Abbildungen publiziert. Es gibt Kostbar-
keiten darunter, wie die zwei großen Florentiner Kredenzen
des sechzehnten Jahrhunderts, eine seltene Reihe von Tischen,
deren zierlichster das Urbild einer ganzen Gattung franzö-
sischer Renaissancemöbel darstellt. Zwei Faltstühle, die
man Dante-Sessel zu nennen pflegt, und deren Form wohl

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