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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 2
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Glaser, Curt: Juryfreie Kunstschau
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Friedländer, Max J.: Das Allgemeine Lexikon der Bildenden Künstler: im Verlag E. A. Seemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0100

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HANS SPIEGEL, FRAU, DIE SICH UMWENDET

AUSGESTELLT IN DER JURYFREIEN KUNSTSCHAU

keiten zu befreien, die noch die reine Wirkung seiner Werke
beeinträchtigen.

Aus der Überfülle mögen ein paar Namen noch heraus-
gehoben sein: Der Ulmer Maler Wilhelm Geyer versucht
sich mit Talent auf dem nicht ungefährlichen Wege, den
Kokoschka gezeigt hat. Der Dresdener Franz Frank wagt sich
mit jugendlicher Kühnheit an vielfigurige Kompositionen.
Gustav Wiethüchter fordert Achtung durch die Beherrschtheit
einer Kunst, der es an den natürlichen Antrieben allerdings

zu fehlen scheint. Willy Kriegel gehört zu den starken male-
rischen Begabungen, deren Geschicklichkeit sie mit der Ge-
fahr rascher Entartung bedroht. Hans Spiegel verrät, freilich
unter dem Einfluß Hofers, eine entschiedene Anlage.

Die Juryfreie Kunstschau hat in diesem Jahre die No-
vembergruppe zu Gast geladen, die ihr zehnjähriges Dasein
begeht. In den Revolutionstagen geboren, ist diese Künstler-
vereinigung mehr auf die Gemeinschaft der Gesinnung als
der Form begründet. Feiert man mit der Ausstellung alter
Revolutionsbilder die Erinnerung an vergangene Zeiten, so
zeigt sich, wie vergangen, wie vorgestrig diese gemalten
Bilderbogen erscheinen, die nicht ein Erlebnis künstlerisch
gestalten, sondern agitatorisch illustrieren. Delacroix' Barri-
kadenbild, Rethels Totentanz von 1848 haben an ihrer un-
mittelbar hinreißenden Wirkung noch nach hundert Jahren
nichts eingebüßt. Dix' Barrikade, Grosz' Wintermärchen sind
schon nach zehn Jahren Kuriositäten, die nur noch in einem
Panoptikum der Revolutionszeit ihren Platz haben. Mit Ge-
sinnung allein macht man keine Kunst. Die schöpferischen
Kräfte unter den Genossen von einst haben sich längst von
jener Novembergesinnung befreit, die sie einmal zusammen-
geführt hat. Ein Bau wie der deutsche Pavillon in Barce-
lona von Mies van der Rohe, der in Aufnahmen gezeigt
wird, ist nicht Zeuge einer Gesinnungsgemeinschaft, die
von der Novembergruppe in ihrem Programm aufs neue
gefordert wird, sondern einer reifen persönlichen Künstler-
schaft.

Auch die italienischen Maler, die sich in der Gruppe
der Novecento zusammengeschlossen haben, sind von den
Abwegen futuristischer Verstiegenheit längst wieder zu den
Formen der Tradition zurückgekehrt und haben den Blick
anstatt in die Zukunft in die Vergangenheit gerichtet. Man
sieht in der Ausstellung der Novembergruppe noch einige
von den verstaubten Abgeschmacktheiten der gleichen
Künstler, die nun gar nichts mehr von Auflösung und
Zerstörung der Form wissen wollen, die gestern Revolutio-
näre zu sein glaubten und heute zu der rettenden Tradition
zurückgekehrt sind, die jedem sein Stückchen Natur be-
scheiden im Bilde zu gestalten hilft. Glaser.

DAS ALLGEMEINE LEXIKON DER BILDENDEN KUNSTLER

IM VERLAG E. A. SEE MANN

T7' ürzlich ist wieder ein Band des großen Künstler-Lexikons
erschienen, der XXIII. Das Sorgenkind der Kunstwissen-
schaft wächst kräftig heran.

Ulrich Thieme hat vor dreiunddreißig Jahren den Ent-
schluß gefaßt, das gewaltige Werk aufzubauen. Was der
alte Nagler ohne jede Hilfe unternommen und mit unbe-
greiflicher Ausdauer zu Ende geführt hat, konnte nur durch
Heranziehung vieler Spezialforscher wiederum gewagt wer-
den. Damit aber war eine schwierige Organisation ver-
bunden, der Thieme seine ganze Arbeitskraft gewidmet hat.
Es galt die gesamte kunstgeschichtliche Literatur durchzu-
arbeiten, um die Liste der Namen zu gewinnen, ferner die

Mitarbeiter zu wählen, endlich für Einheitlichkeit der Texte
Sorge zu tragen. Thieme hat das Lexikon als seine Waise
hinterlassen; als er vorzeitig einer tödlichen Krankheit ver-
fiel, mit Sorgen an die Zukunft des Werkes gedacht. Je
gewissenhafter er sich bemüht hatte, im Plane allen An-
forderungen an Universalität und Richtigkeit zu genügen
und jeweils die sachkundigsten Spezialisten zu verpflichten,
um so bedenklicher schwoll der Stoff an. Freilich wurde
das Lexikon nicht zuletzt durch die Quantität der Angaben
das bei weitem beste Künstlerlexikon, aber mit dem Um-
fange dehnte sich die Arbeitszeit und drohte die Gefahr,
daß der allzu groß angelegte Bau nicht zu Ende geführt

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