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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 4
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Ganz, Hermann: Jean Baptiste Chardin: zum 150. Todestag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0184

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JEAN BAPTISTE CHARDIN, MÄDCHEN MIT KIRSCHEN

SAMMLUNG HENRI DE ROTHSCHILD, PARIS

eine Ausstellung, die außerhalb Paris unmöglich, ja kaum
denkbar wäre.

In Chardins Technik einzudringen, ist für den Laien
nicht leicht. So selbstverständlich erscheint sie, daß man
glaubt, der Meister habe seine Kunst mit großem Fleiß ver-
steckt. Und doch erschließt sich das Geheimnis dieser
Malerei unschwer, wenn man sich von der eigenen Empfin-
dung leiten läßt. Es liegt in einer reinen Sinnlichkeit, die
das Gesetz von den Objekten selbst empf ängt. „Man malt
nicht mit Farben, man malt mit dem Gefühl" — so lautet
ein berühmtes Wort Chardins. Für ihn gab es kein „Ding
an sich". Die einzelne Erscheinung lebte für ihn nur im
organischen Zusammenhang, nur im Ensemble ihrer maleri-
schen Existenz, die in der Harmonie der Töne und der Reflex-
wirkungen besteht. So selbstverständlich uns dergleichen
heute erscheint, so neu, so überraschend war das Procede
für seine Zeit. „Seine Art und Weise zu malen, ist selt-

sam," schrieb damals ein Kritiker, „er setzt die eine Farbe
neben die andere, fast ohne sie zu mischen, so daß seine
Arbeit ein wenig — wie die Stickerei, die man Kreuzstich
nennt — dem Mosaik gleicht."

In den gebotenen Grenzen gestaltete Chardin das Gegen-
ständliche mit einer Liebe und Eindringlichkeit, die philo-
sophisch angehauchte Akademiker zu Ausdrücken wie „kos-
misch" oder „religiös" verlocken mag, die aber auf der an-
dern Seite auch den Ausspruch in die richtige Beleuchtung
rückt, den Cezanne gegenüber Joachim Gasquet fallen ließ:
„Les volumes seuls sont importants." Der Name Cezannes
drängt sich überhaupt vor einer Reihe von Stilleben Char-
dins unwillkürlich und wie eine Offenbarung auf. Schon
die innere Verwandtschaft der Methoden überrascht, um
nicht zu sagen, ihre Übereinstimmung. Beide arbeiteten mit
einer Langsamkeit, die sich andauernd an den Eindrücken
korrigierte und die etwas vom tastenden Gestalten reiner

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