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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 5
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Poensgen, Georg: Tarquinius und Lucreta von Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0231

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P. P. RUBENS, TARQUINIUS UND LUCRETIA. DETAIL DES TARQUINIUS. abb. 5

TARQUINIUS UND LUCRETIA VON RUBENS

von

GEORG POENSGEN

Aus dem Georgspalais in Hannover kam im Jahre 1926*
■ ein großes Gemälde, darstellend Tarquinius und Lucretia,
in den Bildervorrat der Verwaltung der Staatlichen Schlüsser
und Gärten (Abb. 1). Seine Zugehörigkeit zur vlämischen
Schule des siebzehnten Jahrhunderts im Umkreise des Rubens
war evident, doch blieb es als Schulbild unbeachtet, bis die
Erkenntnis, daß es sich hier um ein eigenhändiges Frühwerk
des Peter Paul Rubens selbst handle, das Gemälde in den
Vordergrund des Interesses zog.

Die Zuschreibung an den großen Vlamen begegnet, ein-
mal zur Diskussion gestellt, keinen Schwierigkeiten'"''. Der
schräg liegende, leicht füllige Akt der Lucretia. ihr goldgelb
schimmerndes Haar (Abb. 2) und die großen, gegen das Weiße

* Nach Feststellungen von Frau Dr. Henschel-Simon wurde das
Bild im Jahre 1790 vom Schloß Berlin, zu dessen Galeriebestand es
gehörte, ins Neue Palais nach Potsdam gebracht. Von hier kam es
in den siebziger Jahren nach Hannover. Nach Rooses (Bd. IV, S. 24)
gab es zwei Fassungen dieses Themas, von denen eine bereits
im Inventar von Lunden, eines Schwagers von Rubens, das 1639/40
(also noch zu Lebzeiten des Künstlers) aufgestellt wurde, erwähnt:
** Herrn Dr. Ludwig Burchard, der meine Zuschreibung endgültig
bestätigte, verdanke ich wertvolle Hinweise für die Interpretation des
Gemäldes.

stark kontrastierenden Pupillen ihrer Augen rufen sofort die
Erinnerung an die Frauengestalten des frühen Rubens, wie
die Nixen des Hero- und Leanderbildes in Dresden (Abb. 3),
die Venus in Düsseldorf, den Engel der Verkündigung in
Wien* oder die Leda der Kopie nach Michelangelo in
Dresden und die Judith ** (Abb. 4) wach. Die teils krampf-
haft angezogenen, teils sich überschneidenden Gliedmaßen
der Dargestellten, die Häufung schmückenden Details (anato-
lischer Blütenteppich, Armreif, Muschelornament und Tressen-
besatz des Kopfkissens) sind typisch für seine durch Venedig
stark beeinflußte Malerei im ersten Jahrzehnt des siebzehnten
Jahrhunderts. Ihnen entsprechen die correggeske Licht-
gebung, die Pausbäckigkeit des Amors***, die roten, noch
übergangslosen Randschatten des Inkarnats und die blecherne
Schärfe der Stoffalten.

* Vgl. Oldenbourg: Rubens: Klassiker der Kunst. Bd. 5-, Abb.
S. 3, 29, 47.

** Wir bilden den Stich von C. Galle ab, da das bei Oldenbourg a.a.O.
S. 3 o abgebildete Gemälde nicht eigenhändig sein dürfte.

*** Vgl. hierzu auch die kürzlich von Longhi entdeckte und von
Burchard eingehend behandelte „Heilige Nacht". L. Burchard: Alcuni
dipinti del Rubens nel suo periodo italiano. Pinacotbeca Luglio-Agosto.
1928 VI.

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