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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 5
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0244

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T)urrmann, Spiegel und Kardorn7 sind einen Sommer zu-

sammen in Porto d'Ischia, sie bewohnen da gemein-
schaftlich ein reizend gelegenes Haus, von dem man einen
herrlichen Blick über den ganzen Hafen und die Stadt hat.
Es ist Anfang September und fürchterlich heiß.

Purrmann verläßt bei Tage nie das Haus, kaum daß er
zu den Malzeiten aus seinem Zimmer herauskommt. Er hat
herausgefunden, daß er nur sechs Schritt von seinem Bett,
auf dem er immer liegt, wenn er nicht malt, zu gehen
braucht, in der Richtung auf sein Balkonfenster, um die
schönsten und mannigfaltigsten Motive zu haben. Die Aus-
sicht vom Balkon nach links: Blick über den Ausgang des
Hafens, geradeaus: die Aussicht auf den Hafen mit unge-
zählten Segelschiffen, nach rechts: das Panorama der ganzen
Stadt. Tritt er etwas zurück, so ergeben sich aus der Um-
rahmung des Balkonfensters und des Gitters neue Motive.
Schließlich an seinem Bett: das Interieur mit dem Durch-
blick des Balkonfensters: sein Lieblingsmotiv. Mal ist es
die rechte Zimmerecke mit dem Durchblick links, mal die
linke Zimmerecke mit dem Balkonfenster rechts, mal mit,
mal ohne Figur am Fenster. Dazu kommen noch die ver-
schiedenen Variationen je nach dem Stand der Sonne, mal
vormittags, mittags oder abends, die die Zahl der Bild-
möglichkeiten verdreifachen.

Purrmann ist begeistert, nie in seinem Leben hat er so
mannigfaltige und bequem zu erreichende Motive gehabt.
„Und alles kaum sechs Schritt von meinem Bett", wieder-
holt er strahlend.

KardorfF wagt sich trotz der Hitze in den Vorgarten des
Hauses, der am Hafen liegt, geht auch manchmal auf die
an das Haus grenzende Terrasse, um von da zu malen.

Der unternehmendste aber ist Ferdinand Spiegel. Er
macht weite Touren und schon seine Ausrüstung ist impo-
nierend. Statt eines Malkastens hat er auf dem Rücken
einen großen bajuvarischen Rucksack, in den er Pinsel und
Farben, einen Klappstuhl, einen Malschirm und seine Staffelei
verstaut hat. Auf dem Rucksack aufgeschnallt eine Riesen-
palette von Münchener Ausmaßen, einen handfesten Gebirgs-
stock in der Rechten, zwei bespannte Blendrahmen in der
Linken, so schreitet er mutig und entschlossen jeden Mor-

gen an die Arbeit. Staunend, voll Bewunderung und Neid
vor so viel sportlicher Energie sehen die beiden Zurück-
bleibenden ihn abmarschieren.

Nur die Ausrüstung gibt ihnen Anlaß zu spöttischen Be-
merkungen, namentlich die überlebensgroße Palette ärgert sie.

Eines Tages kann nun Purrmann sich nicht mehr zurück-
halten und fragt Spiegel, wozu er sich denn immer mit dem
Riesending von Palette abschleppe. So eine große Palette
sei ein Unfug. Spiegel antwortet, nur mit einer so großen
Palette könne man gut malen. Die beiden anderen wider-
sprechen und Purrmann beweist klipp und klar an der Hand
von Selbstporträts alter Meister, daß diese nie so große
Paletten gehabt hätten. „Ach, des is aber schad'!" ist die
verblüffende Antwort Spiegels. „Wie so schad'?" fragt Purr-
mann verdutzt. „Na wie gut hätten die alten Meister erst
gemalt, wenn sie so 'ne große Palette gehabt hätten wie ich."

*

Jakob Burckhardt hatte sich nach langem Widerspruch
von seinen Schülern überreden lassen, sich einmal photo-
graphieren zu lassen. Die Schüler sagten dem Photographen
Tag und Stunde und beschworen ihn, sich frei zu halten.
Es erschien zur rechten Zeit beim Photographen ein etwas
kümmerlich aussehender, sehr einfach gekleideter Mann und
sagte: „Ich möchte mich photographieren lassen." „Das geht
jetzt nicht," antwortete der Photograph, „ich erwarte einen
sehr berühmten Professor." Worauf sich Jakob Burckhardt
still und schnell entfernte.

*

Max Slevogt erzählt: „Ich stand als junger Maler mit
einem meiner Lehrer vor dem Bamberger Dom. Bildhauer
waren gerade beschäftigt, von einigen der Statuen und Köp-
fen die Oberflächen abzureiben und abzuklopfen, um die
alten Skulpturen so zu «reinigen» und zu «restaurieren».
Mein alter Lehrer kicherte und sagte: «Sehen Sie mal, die
Schafsköpfe glauben, die Kunst stecke in den Gestalten
innen drin. Die Kunst sitzt aber gerade in der Haut, auf
der Oberfläche»."

*

ACHTUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, FÜNFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. JANUAR, AUSGABE AM 1. FEBRUAR
NEUNZEHNHUNDERTDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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