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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 6
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Bachhofer, Ludwig: Die Chinesischen Bilder der Sammlung Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0252

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SHEN CHOU (1427—1509), GEBIRGSLANDSCHAFT

ABB. 4. SAMMLUNG E. PREETORIUS

Das älteste Stück ist eine kleine Landschaft,
die höchstwahrscheinlich ins dreizehnte Jahrhun-
dert zurückgeht (Abb. 1).

Das Motiv ist das übliche, das immer wieder
vorgeholt und neu gestaltet wurde: ein Stück
Land an einem See, ein paar Hütten unter Bäu-
men und eine Veranda, die auf Pfählen im Was-
ser steht.

Das Bildchen geht mit einer An-
zahl ähnlicher Landschaften zusammen,
die die gleiche trockene Mache im
Baumschlag und den atmosphärischen
Erscheinungen zeigen. Man schreibt
sie meistens dem Ma Lin zu und wenn
man den Namen nur als Repräsentanten
einer handfesten Generation nimmt,
die in starker schulmäßiger Abhängig-
keit von ihren feiner empfindenden
Vorfahren steht, so kann die Zuwei-
sung passieren.

Der Wandel, der sich innerhalb
eines Jahrhunderts in der chinesischen
Auffassung von schöner Landschaft
vollzog, zeigt die hohe schmale Herbst-
landschaft mit den vier kahlen Bäu-
men (Abb. 2). Das Bild ist historisch
bedeutsam, denn es trägt neben der
Signatur Li Shih-hsing das Datum
13 27. (Bei der Entzifferung hat mir
mein Freund Yüan-chi Tang geholfen,
wofür ich ihm aufrichtig danke.)

Erst in der letzten Zeit hat sich
das Dunkel gelichtet, das über der Ge-
schichte der chinesischen Malerei im
vierzehnten Jahrhundert lag. Aus eini-
gen literarischen Notizen und ein paar
Bildern, die der Yüan-Zeit (1280—
13^8) zugeschrieben wurden, suchte
man sich den Verlauf zu rekonstru-
ieren: das Resultat war nicht immer
überzeugend, weil das Material sich
recht widerspenstig gab und eine Er-
klärung im Sinne einer vernünftigen
Entwicklung nicht zuließ.

So sprach man gerne davon, daß die
Landschaftsmalerei mit dem Ende der
Sung-Dynastie (1280) ihre Höhe über-
schritten habe und in der Folgezeit ver-
flacht und auf äußere Effekte ausge-
gangen sei. Nichts ist falscher. Man wollte etwas
Neues und es ist deutlich zu sehen, wie man es zu-
erst mit den alten Mitteln zu erreichen suchte. Die
lockeren Darstellungsmittel des dreizehnten Jahr-
hunderts werden im großen ganzen beibehalten,
nach und nach verdichtet sich die Form, nicht
durchgehend, sondern an einzelnen Punkten und
am ehesten in der Darstellung der Bäume. Die Vor-

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