Leinwand stehen ließ. Es bildet einen markanten Gegen-
satz zu dem großen Bild der Sammlung Courtauld, auf dem
der Berg St. Victoire der Hintergrund einer ländlichen Ge-
gend ist, die, in gelbe und grüne Vierecke geteilt, sorgfältig
bebaute Felder und besäte Ackerstreifen darstellt: ein Bild
glücklichen und friedlichen Landlebens. Es ist eins jener
Bilder, die durch ihre Komposition, ihre Harmonie und
ihre Heiterkeit an jenes berühmte Wort Cezannes denken
lassen: „Man müßte Poussin Wiederbeginnen, aber nach der
Natur."
Ebenfalls aus der Sammlung Vollard stammen „Die großen
Bäume", ein Bild von einfachster Komposition: zwei mäch-
tige Bäume, in der Zeichnung und im Umriß so, wie es nur
dem Meister von Aix gelang, heben sich von einem helleren
Hintergrund ab.
Das merkwürdigste Stück dieser Ausstellung ist aber
vielleicht ein kleines Bild (54:38 cm), das Marie Cezanne,
des Malers Schwester, darstellt, die ihm alle Sorgen des täg-
lichen Lebens abnahm; ihrer Umsicht war der Haushalt an-
vertraut, sie verwaltete das Wirtschaftsgeld und beglich die
Rechnungen der Lieferanten. Diese Obliegenheiten erfüllte
sie mit treuer Liebe und mit dem Pflichtgefühl einer guten
Christin. Als solche übte sie auch einen moralischen Einfluß
auf das ganze Haus aus.
„Ich habe Lust zur Beichte zu gehen", gestand eines
Abends Paul Cezanne seinem treuen Schüler Emile Bernard,
„meine Schwester empfiehlt mir sehr einen Jesuhen, der ein
sehr bedeutender Mann sein soll." Cezanne sprach lange über
dies Vorhaben, das ihn ziemlich beunruhigte, um so mehr,
als er während mehrerer Jahre keine der kirchlichen Vor-
schriften eingehalten hatte. Denn eigentlich hatte er Furcht
vor den Priestern wie vor den Frauen: „Womöglich würden
mich diese Priester noch kapern", sagte er so und so oft zu
Emile Bernard, „und das will ich keinesfalls". Aber bald
darauf ging er dennoch zur Beichte, wahrscheinlich unter dem
Einfluß seiner Schwester.
Cezanne hat diese energische Dame in einem weißen
Kleid dargestellt, sie ist von vorn gesehen, unter dem Kinn
trägt sie ein weißes Kopftuch geknotet. Man kann sie sich
gut vorstellen, wie sie abends in diesem Aufzug mit einer
Kerze in der Hand durch die langen Korridore streift, ein
bißchen wie ein Gespenst, um nachzusehen, ob die Haustür
verschlossen, ob das Dienstmädchen etwa wieder einmal zu
seinem Schatz gelaufen sei, ob Paul nicht irgendwo nasse
Bilder oder Farbtuben hat umherliegen lassen, die die Polster-
stühle ruinieren und auf den Holzmöbeln Flecke hinterlassen
könnten. Dieses Bild (aus dem Jahre 1865) ist mit dicker Farbe
gemalt. Es ist „excessiv" gemalt, wie HerrMottez sagen würde,
dessen Fürsprache es zu verdanken ist, daß Cezanne von der
Akademie refüsiert wurde.
Ähnlich in der Malweise ist das Haus des Schlächters
von Pontoise aus der Sammlung Hessel.
Der Junge mit der roten Weste, aus der Sammlung Reber,
ist mit einer wunderbaren Intensität der Farben gemalr.
Hier macht sich in hervorragender Weise der Einfluß Tin-
torettos geltend, den Cezanne den „Kühnsten der Venctianer"
genannt hat.
Gegenüber diesem farbigen Bilde hängen „die beiden
Schwestern", ein in grauen Tönen und wenig differenzierten
Valeurs gemaltes Bild. Dieses vielfach reproduzierte Werk
stellt die beiden Schwestern des Malers im Park des Jas de
Bouffan dar, und im Hintergrunde die Silhouette von An-
tonin Valabregue und Abram, die im Strich fast an Daumier
erinnert.
Zum erstenmal sind die Hauptwerke der Sammlung des
Sohnes von Cezanne öffentlich ausgestellt: das Selbstporträt
Cezannes, das den Beweis erbringt, mit welcher Gewissen-
haftigkeit und Sorgfalt er seine Bilder anlegre; ein Stilleben,
Äpfel in einem Napf auf einem Tischtuch, das Cezanne für
sein bestes Stilleben hielt und es daher seinem Sohne hinter-
ließ. Dann eine sehr schöne Landschaft, l'Estaque, neben
derem blassen Kolorit „der Blaue See" aus der Sammlung
Courtauld noch dunkler wirkt.
Ein Werk, das nicht im Katalog aufgenommen ist, da
Vollard es erst nach der Eröffnung in die Ausstellung brachte,
ist eine Kopie nach Dantes Barke von Delacroix. Cezanne
zeigt sich hier als treuer Kopist mit all der Ehrerbietung
und Demut des Schülers.
Der ausgezeichnete von V. Marquetty besorgte Katalog
enthält alle irgend notwendigen Hinweise und ein Geleit-
wort Vollards, der nur aus seinen Erinnerungen zu schöpfen
brauchte, um die Gestalt des Meisters von Aix mit ihrem
leisen Anflug von Komik und in ihrer ganzen Größe herauf-
zubeschwören.
GESTfCKTES ANTEPENDIUM. SCHWEIZ, 1553. 78:203 cm
SAMMLUNG VIEWEG, BliAUNSCHWEIG
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satz zu dem großen Bild der Sammlung Courtauld, auf dem
der Berg St. Victoire der Hintergrund einer ländlichen Ge-
gend ist, die, in gelbe und grüne Vierecke geteilt, sorgfältig
bebaute Felder und besäte Ackerstreifen darstellt: ein Bild
glücklichen und friedlichen Landlebens. Es ist eins jener
Bilder, die durch ihre Komposition, ihre Harmonie und
ihre Heiterkeit an jenes berühmte Wort Cezannes denken
lassen: „Man müßte Poussin Wiederbeginnen, aber nach der
Natur."
Ebenfalls aus der Sammlung Vollard stammen „Die großen
Bäume", ein Bild von einfachster Komposition: zwei mäch-
tige Bäume, in der Zeichnung und im Umriß so, wie es nur
dem Meister von Aix gelang, heben sich von einem helleren
Hintergrund ab.
Das merkwürdigste Stück dieser Ausstellung ist aber
vielleicht ein kleines Bild (54:38 cm), das Marie Cezanne,
des Malers Schwester, darstellt, die ihm alle Sorgen des täg-
lichen Lebens abnahm; ihrer Umsicht war der Haushalt an-
vertraut, sie verwaltete das Wirtschaftsgeld und beglich die
Rechnungen der Lieferanten. Diese Obliegenheiten erfüllte
sie mit treuer Liebe und mit dem Pflichtgefühl einer guten
Christin. Als solche übte sie auch einen moralischen Einfluß
auf das ganze Haus aus.
„Ich habe Lust zur Beichte zu gehen", gestand eines
Abends Paul Cezanne seinem treuen Schüler Emile Bernard,
„meine Schwester empfiehlt mir sehr einen Jesuhen, der ein
sehr bedeutender Mann sein soll." Cezanne sprach lange über
dies Vorhaben, das ihn ziemlich beunruhigte, um so mehr,
als er während mehrerer Jahre keine der kirchlichen Vor-
schriften eingehalten hatte. Denn eigentlich hatte er Furcht
vor den Priestern wie vor den Frauen: „Womöglich würden
mich diese Priester noch kapern", sagte er so und so oft zu
Emile Bernard, „und das will ich keinesfalls". Aber bald
darauf ging er dennoch zur Beichte, wahrscheinlich unter dem
Einfluß seiner Schwester.
Cezanne hat diese energische Dame in einem weißen
Kleid dargestellt, sie ist von vorn gesehen, unter dem Kinn
trägt sie ein weißes Kopftuch geknotet. Man kann sie sich
gut vorstellen, wie sie abends in diesem Aufzug mit einer
Kerze in der Hand durch die langen Korridore streift, ein
bißchen wie ein Gespenst, um nachzusehen, ob die Haustür
verschlossen, ob das Dienstmädchen etwa wieder einmal zu
seinem Schatz gelaufen sei, ob Paul nicht irgendwo nasse
Bilder oder Farbtuben hat umherliegen lassen, die die Polster-
stühle ruinieren und auf den Holzmöbeln Flecke hinterlassen
könnten. Dieses Bild (aus dem Jahre 1865) ist mit dicker Farbe
gemalt. Es ist „excessiv" gemalt, wie HerrMottez sagen würde,
dessen Fürsprache es zu verdanken ist, daß Cezanne von der
Akademie refüsiert wurde.
Ähnlich in der Malweise ist das Haus des Schlächters
von Pontoise aus der Sammlung Hessel.
Der Junge mit der roten Weste, aus der Sammlung Reber,
ist mit einer wunderbaren Intensität der Farben gemalr.
Hier macht sich in hervorragender Weise der Einfluß Tin-
torettos geltend, den Cezanne den „Kühnsten der Venctianer"
genannt hat.
Gegenüber diesem farbigen Bilde hängen „die beiden
Schwestern", ein in grauen Tönen und wenig differenzierten
Valeurs gemaltes Bild. Dieses vielfach reproduzierte Werk
stellt die beiden Schwestern des Malers im Park des Jas de
Bouffan dar, und im Hintergrunde die Silhouette von An-
tonin Valabregue und Abram, die im Strich fast an Daumier
erinnert.
Zum erstenmal sind die Hauptwerke der Sammlung des
Sohnes von Cezanne öffentlich ausgestellt: das Selbstporträt
Cezannes, das den Beweis erbringt, mit welcher Gewissen-
haftigkeit und Sorgfalt er seine Bilder anlegre; ein Stilleben,
Äpfel in einem Napf auf einem Tischtuch, das Cezanne für
sein bestes Stilleben hielt und es daher seinem Sohne hinter-
ließ. Dann eine sehr schöne Landschaft, l'Estaque, neben
derem blassen Kolorit „der Blaue See" aus der Sammlung
Courtauld noch dunkler wirkt.
Ein Werk, das nicht im Katalog aufgenommen ist, da
Vollard es erst nach der Eröffnung in die Ausstellung brachte,
ist eine Kopie nach Dantes Barke von Delacroix. Cezanne
zeigt sich hier als treuer Kopist mit all der Ehrerbietung
und Demut des Schülers.
Der ausgezeichnete von V. Marquetty besorgte Katalog
enthält alle irgend notwendigen Hinweise und ein Geleit-
wort Vollards, der nur aus seinen Erinnerungen zu schöpfen
brauchte, um die Gestalt des Meisters von Aix mit ihrem
leisen Anflug von Komik und in ihrer ganzen Größe herauf-
zubeschwören.
GESTfCKTES ANTEPENDIUM. SCHWEIZ, 1553. 78:203 cm
SAMMLUNG VIEWEG, BliAUNSCHWEIG
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