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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 7
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Tietze, Hans: Anton Faistauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0328

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A. FAISTAUER, DAMENBILDNIS

MUSEUM DER STADT ULM

Erfolg, der Faistauer in den letzten Jahren geblüht hat,
hat ihn im Kreis seiner Kollegen nicht beliebter gemacht; sie
fühlten ein Anderes, Seltsames, Fremdes in ihm, vor dem
sie erschauderten. Es war der Tod, der in ihm saß. Denn
dieser Ehrgeizling war ein Mann unablässiger Arbeit an sich
selbst; dieser als selbstbewußt und selbstverliebt Verschrieene
war ein Selbstquäler, nur daß die Sonde der eigenen Zer-
gliederung bei diesem klugen und beinahe zur Dialektik
geneigten Menschen in tiefere Schichten reichte als bei den
meisten seiner Genossen. Ich habe häufig Briefe von ihm
bekommen; er fühlte im maßvollsten Urteil die heimlichen
Widerstände und hat sich leidenschaftlich gegen Verkennung
gewehrt, stets mit geistvoller Begründung seines Stand-
punktes und mit der zähen Beharrlichkeit schwer erarbeiteter
Meinung. Wenn er nicht durch die stärkste Kraft seiner viel-
seitigen Begabung zum Maler geworden wäre, hätte er
einer der eindringlichsten Deuter moderner Kunst sein können;
sein Buch über die österreichische Malerei ist das beste,
was über sie gesagt worden ist.

Ein Kampf zwischen Geist und Sinnlichkeit liegt als
erregendes Moment über seiner Malerei. In dem zwanzig-
jährigen Bauernsohn — dessen schöner adeliger Kopf und

zarter Jünglingswuchs eine im Salzburgischen nicht ver-
einzelte Einsprengung romanischen Wesens ins Bajuvarische
seiner Stammesherkunft zu verraten schien — ist die Malerei
übermächtig geworden; was ihn vom väterlichen Hof trieb,
war die uralte Farbenfreudigkeit des Landes, wie sie im
Barock blühend geworden war, erregt durch den inbrünstigen
Ausdrucksdrang, wie er die Jünglinge im Jahrzehnt vor dem
Krieg durchschütterte. 1911 stand Faistauer mit Kokoschka,
Kolig und Wiegele in einer Gruppe, die einem verständnis-
losen Publikum den Glauben einer neuen Zeit verkündete;
auf jene erste Kundgebung folgte für jeden von ihnen ein
hartes Jahrzehnt der schwersten Kämpfe, voll materieller Not
und ideeller Anfechtung. In diesen Jahren sind Faistauers
spannungsreichste Werke entstanden; die blühenden Bilder
seiner ersten Frau, glitzernde Blumenstücke und Stilleben,
die Salzburger Landschaften unmittelbar nach dem Kriege,
mit denen ein tief Verletzter heilende Wurzeln in die Heimat-
erde trieb. Diese starke und gesundende Berührung hat die
dekorative Seite in Faistauers Kunst erstarken und über-
wiegen gemacht; die Wand rief ihn, in der Kirche von
Morzg bei Salzburg hat er zuerst eine monumentale Aus-
schmückung eines bedeutenden Raumes versucht. Ähnliche
weltliche und kirchliche Aufgaben — im Stift St. Peter in
Salzburg, im dortigen Festspielhaus, in einem Landhaus im
Wiener Wald — sind gefolgt; das Sprudelnlassen der Phan-
tasie, das Schwelgen in Farbe, die Unterordnung der Malerei
unter ihre schmückende Aufgabe — barockes Erbgut dieses
echten Alpensohnes —, die die Wandmalerei verlangte, mußte
auch auf die übrigen Leistungen dieses Zeitraumes zurück-
wirken. Große Bildnisse, Landschaften und Kompositionen
entstanden, die einem Ideal „schöner Malerei" huldigen und
durch die Liebenswürdigkeit ihrer Grundstimmung und die
gesunde Kraft ihres handwerklichen Könnens den äußeren
Erfolg des Malers begründet haben; in leichter Produktion,
der man nicht anmerkte, daß sie bis zum Grunde schöpfte,
hat sich Faistauer die Welt geschaffen, in der sich zu er-
gehen ihm Bedürfnis war. Etwas von diesem Glücksgefühl
— oder Glücksbedürfnis — dem Beschauer mitzuteilen,
schien ihm nun die Aufgabe seiner Kunst zu sein; der
quälenden Problematik eigener Vergangenheit stand er wie
der anders gesinnter Künstler ablehnend gegenüber. Hatte
er wie ein Jüngling im Märchen um Ruhm und Gold seine
Seele verkauft? In den letzten Bildern, die er gemalt hat,
Bildnissen einer jungen Frau und Landschaften von einer
Herbstreise nach dem Süden, keimt jene stärkere Innerlich-
keit wieder auf, die manche von uns in den Werken der
Zwischenzeit vermißt hatten, sie knüpfen wieder an die
Arbeiten seiner Jugend an. Faistauer freute sich, daß ich
die besondere Hochstimmung nachempfand, die ihn in den
letzten Monaten erfüllte. Wie hätte ich bei diesem Besuch
in den Weihnachtstagen ahnen können, daß es das Licht
war, das vor dem Erlöschen noch einmal aufflammt!

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