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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 7
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0332

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WIE HEUTE ÜBER KUNST GESCHRIEBEN WIRD

i) Aus einem Vorwort von Rud. Probst zur Paul Klee-
Ausstellung in der Dresdner Galerie „Neue Kunst Fides":

„Paul Klee hat die Schwerkraft der Erde überwunden.
Durch einen Akt der Seele. Ein Ereignis von epochaler und
tiefster menschlicher Bedeutung. Unbeirrbar hat sich sein
schaffendes Wesen immer weiter aus den Sphären der Ge-
burt entfernt, bis es frei zwischen Sternen flog, — die Le-
bensringe des Blutes und der persönlichen Geltung als aus-
gewohnte Larve hinter sich lassend. Der scheinbar verhäng-
nisvolle Prozeß anaufhaltsam fortschreitender menschlicher
Entwurzelung — Angstvorstellung der Erdbefangenen — ent-
puppt sich durch den radikalen Selbstvollzug eines reinen
Geistbesessenen als Wachstumsvorstoß in überirdische Le-
bensregionen. Die Kammern des Welthauses sind aufgetan
— ohne Zahl — ungeheuerlich in ihrer Freiheit, selig in
ihrer prästabilierten Harmonie. Gott regierte dort bisher in
den religiösen Ahnungen der Menschen. ,Gott will Götter',
sagt Novalis. Der Traum des romantischen Dichters wird
Wirklichkeit. In Paul Klees Bildern wird das Jenseits Dies-
seits. Nicht elementare Blutwallung des dämonischen Erden-
Ichs, nicht persönliches Selbstbewußtsein des gesellschaft-
lichen Individuums führt seine schaffende Hand — vielmehr
das erdfernste, stillste Ich, das mysteriöse Subjekt des Exi-
stierens überhaupt, inkarniert sich in seinem Werk. Aus
seinen Bildern spricht göttliche Einsamkeit zum Gott im
Einsamen. Sie üben und lehren die Handhabung des Uni-
versums. Es zeigt sich dabei von Anfang an, daß die Fäden
anders laufen, als die kanonische Vorstellung sich denkt.
Die Dynamik des Geisterreichs kennt keinen zusammenhän-
genden Ablauf, wie ihn die Oberfläche der Dinge vortäuscht.
Jeder Augenblick hat seine ureigne Konstellation, ist ein-
maliger Zusammenklang selbstherrlicher Intensitäten, in deren
Spannungen das Herz des Daseins schlägt. Diese Pulse zucken
und leben in Klees Bildnisgestalten."

2) Aus dem Vorwort der Juan Gris-Ausstellung in der
Galerie A. Flechtheim, Berlin, von Gertrud Stein:

„Keiner, der nicht Spanier ist, kann irgendwem helfen,
denn keiner, der nicht Spanier ist, kann irgendwem helfen.
Und da dies so ist, und es ist so, war Juan Gris jedem ein
Bruder und Kamerad und war so einer, wie keiner einer je
gewesen war. Das ist die Proportion. Einer auf irgendeine
Zahl von Millionen. Das ist irgendeine Proportion. Juan Gris
war dieser eine. Französische Kultur war immer eine Ver-
führung. Braque, der ein solcher war, war immer eine Ver-
führung und verführte immer wieder verführerisch die fran-
zösische Kultur. Josette, gleich intelligent, treu, impulsiv,
zart, mutig, entzückend, bedächtig, die Schule von Fontaine-
bleau, zart, besonnen, gemessen und frei alle diese Dinge
verführt. Ich bin verführt und dann bin ich neuerdings ver-
führt, liebte er zu sagen . . . Als Spanier kannte er den Kubis-
mus und war zu ihm hindurchgeschritten. Er war durch ihn
hindurchgeschritten. Da gab es neben dem Vollendung- Um
es Ihnen gezeigt zu haben. Dann kam der Krieg und Ver-
lassenheit. Da gab es wenig Hilfe. Vier Jahre viel Krank-
heit, viel Vollendung und Vereinigung von Schönheit und
Vollendung, und dann am Ende kam eine bestimmte Schöp-
fung von etwas. Das ist es, was gemessen werden muß.
Er schuf etwas, das gemessen werden muß. Und das ist
jenes Etwas.

In diesem ist Juan Gris nicht alles, aber mehr als alles.
Er schuf dieses Ding. Er schuf das Ding. Er schuf ein Ding,
das gemessen werden muß. Später, als er es getan hatte,
konnte er bedauern, daß es nicht sei weshalb man Gefallen
daran finde. Und so machte er es mit sehr viel Liebe, und
er machte es indem er einfach spielte ... Es ist alles, wenn
es ist und was es ist. Niemand versteht es, nach dem Maß
zu fragen. Leider..."

5 3o*2

ACHTUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, SECHSTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. MÄRZ, AUSGABE AM 1. APRIL
NEUNZEHNHUNDERTDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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