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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 8
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Ganz, Hermann: Camille Pissaro: (1830-1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0365

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MAURICE UTRILLO, DIE STRASSE VON ORCHAMPT. STEINDRUCK

AUSGESTELLT IM STAATLICHEN KUPFERSTICH KABINETT, BERLIN. MIT ERLAUBNIS DER D. D. A.

CAMILLE PISSARRO

(1830—1903)

VON

HERMANN GANZ

A /fan hat Camille Pissarro angesichts der hundertsten Wie-
•i-VJ. derkehr seiner Geburt in der ehemaligen Orangerie
der Tuilerien eine Ausstellung bereitet, die sein Schaffen
zwar nicht in vorbildlicher, aber doch zum erstenmal in
denkbar eingehender Weise zeigt.

Die Ausstellung ist nur zu gründlich, und das tut dem
Gesamteindruck Abbruch. Sie gewinnt aber insofern exem-
plarische Bedeutung, als sie das erste offizielle Fest darstellt,
das der französische Staat dem Impressionismus weiht. Frei-
lich ist dieser mit den Sammlungen Camondo und Caille-
botte schon lange in die „maßgebenden" Pariser Galerien
eingezogen, und Monets Seerosenzyklus hat es an demselben
Ort, wo heute Pissarros Zentenarium gefeiert wird, vor Jahr
und Tag zu einem eigenen Dach gebracht. Das offizielle
Paris nahm aber gegenüber der letzten klassischen Epoche
der franzosischen Malerei bisher eine Haltung ein, die trotz

löblicher Anstrengungen überwiegend passiv, wenn nicht
schlechthin negativ zu nennen ist.

„Notre Pere a tous." So nannte van Gogh Pissarro, dem
er menschlich zu Dank verpflichtet war. Tatsächlich ist
Pissarro durchschnittlich ein Dezennium vor den übrigen
Impressionisten auf die Welt gekommen — Sisley und Ge-
zanne 1839, Monet 1840, Renoir, Berthe Morizot und Guil-
laumin 1841 —, er war sogar anderthalb Jahre älter als
Manet, den man ja freilich nur bedingt den Impressio-
nisten beigesellen darf. Da er aber verhältnismäßig spät
zum Malen und zu einem geschlossenen Kontakt mit dem
Bewußtsein seiner Zeit gelangte, schalten die Vorteile seines
natürlichen Vorsprunges aus. Er hat Cezanne in Auvers s. O.
der Freilichtspraxis zugeführt, auch hat er sichtbar auf die
Anfänge Gauguins abgefärbt. Im Grund war er aber eher
eine weiche, impressionable Natur, die selber allen mög-

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