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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 9
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Basler, Adolphe: Modigliani
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0387

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welches Modigliani ein Volkslied geklebt und rund
herum eine Blumengirlande gemalt hatte. Herr Y....
glaubte recht zu tun, indem er das Lied durch
ein Gedicht von Baudelaire ersetzte. Der Maler,
den eine derartig geschmacklose Handlung empörte,
wurde böse. „Nein! Nein! Nicht das!" sagte er.
„Hören Sie mich? Sie Dummkopf! Sie eingebildeter
Tropf!" — „Gut, wenn ich ein Dummkopf bin,
werde ich Ihnen keine Bilder mehr abkaufen!"
antwortete der Händler. „Das ist mir Wurst! Sie
können mich gern haben!" Und mit dieser ein-
fachen Entgegnung verließ der Künstler den Laden.
Aber er fand in der Folgezeit eine bessere Verbin-
dung. Ein Pole, der mit Bildern hausieren ging, war
eben am Montparnasse aufgetaucht. Der Krieg war
in vollem Gange, und alles machte sich gierig
daran, junge Malerei zu kaufen. Leute, die vor
dem Kriege keinen Derain erworben hätten, die
vor den Utrillos zu 100 Franken die Achseln zuck-
ten, kauften nun aus Leibeskräften Modiglianis,
und zu sehr zugänglichen Preisen übrigens. Denn
niemals wohl hat sich ein Künstler weniger um
den materiellen Erfolg
gekümmert. Er suchte
nur durch seinen Geist
zu glänzen, als ein gro-
ßer Maler zu gelten und
inmitten von Leuten
zu leben, die er blen-
dete oder die er wirk-
lich liebte. Nie auch

hat es einen neidloseren Künstler gegeben. Er kannte
seine eigenen Schwächen und beneidete die be-
merkenswerten Fähigkeiten Utrillos. Außerdem war
auch die Freundschaft, die ihn mit ihm verband,
sehr aufrichtig. Oft beherbergte er Maurice, wenn
dieser aus dem Montmartre entwischt war. Und
welch bestürzender Anblick, diese beiden Säufer
um zwei Uhr morgens sich gegenseitig ihre Trunken-
heit vorwerfen zu sehen!

Das vorzeitige Ende Modiglianis, gefolgt von
dem tragischen Tode seiner Frau, machte den Na-
men dieses Künstlers nur noch populärer. Gefühl-
voll, zart, vornehm, ein hauptsächlich ästhetisch
geformtes Talent, behauptet er sich als ein sehr
rassiger Zeichner, der mehr für die Bildhauerei
bestimmt war, die er leidenschaftlich ausübte,
bevor er an die Malerei herantrat. Aber an
Stelle der fehlenden malerischen Fähigkeiten
wußte er sich in seiner hauptsächlich durch
ihren gewinnenden und verderbten Asthetismus
glänzenden Malerei eines Spieles von immer
glücklich übereinstimmenden Kontrasten zu be-
dienen, um seinen Bil-
dern Glanz und einen
angenehmen Ton zu
verleihen. Sein nicht
ganz von Schlauheit
freies Talent gehört in
der Tat zu den ver-
führerischsten der mo-
dernen Malerei.

A. MODIGLIANI, KARYATIDE. ZEICHNUNG

AUSGESTELLT IN DEN REINHARDT GALLERIES, NEW YORK. MIT ERLAUBNIS DER D.D.A.
 
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