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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 9
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Beenken, Herrmann: Die Hybris der Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0400

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aufs Korn nimmt, und
seine Feststellung: „die
Welt ist schön", wollen
wir, obwohl sie nicht allzu
neu ist, gerne begrüßen.
Die illustrierten Zeitungen
haben, seit sie solchen
Entdeckungsreisen der Ka-
mera ihre Spalten öffnen,
entschieden gewonnen.Wir
haben oben die tieferen
Ursachen dafür aufzuzei-
gen versucht, daß man jetzt
auch auf diese Dinge, und
nicht nur auf Hochzeits-
paare, Konfirmanden oder
andere Seelenweideplätze,
die Linse richtet, und sind
daher gewiß unverdächtig,
diese Dinge historisch nicht
ernst, sondern nur als eine
bloße Mode zu nehmen.

Und dennoch, allmäh-
lich wird uns vor allen die-
sen sachlichen Photos ganz
übel. In Photo-Ausstellun-
gen, wie sie jeder bessere
Kunstverein zu veranstal-
ten heute für Pflicht hält,
sehnt man sich nach dem
gemalten oder gezeichne-
ten Bilde, und zwischen
seelenlosen Kopien, die
schon ihrem Wesen nach
nur Schatten sind, nach
dem Original und seinem
unersetzlichen Zauber.Gott
sei Dank wird in ein paar
Jahren der ganze Sachlich-
keitsspuk des neuen Photo-
graphierens einigermaßen
verweht sein. Warum?
Deswegen, weil die Mög-
lichkeiten des Photogra-
phierens unendlich be-
schränkt sind. Immer wie-
der neue Sachen und Sachlichkeiten oder magische Zufalls-
phänomene der Platte, hübsch ausgesucht, interessante An-
sichten, interessante Ausschnitte, das läßt sich die Menschheit
ein paar Jahre gefallen; aber dann kriegt sie es satt.

Aber die Kunst kriegt sie nie satt, das ist der Unter-
schied. Denn die Möglichkeiten der Kunst sind ihrem Wesen
nach unendliche, denn immer auf neue Weise setzt sich der
Mensch mit seiner Welt auseinander. Der Film ist Kunst,
er kann es wenigstens sein, aber nur seiner Zeitlichkeit nach.
Er ist neben Plakat- und Buchgewerbe der eigentliche Nutz-
nießer der Bewegung: neue Photographie. Er lernt Möglich-

FRANZ ANTON MAULPERTSCH, DAVID WIRD GESALBT. SKIZZE.

NEUERWERBUNG DES GERMANISCHEN MUSEUMS

43:34 cm

keiten packender Bildwirkung, die im Augenblick den Be-
schauer erregen, erschüttern, dies aber nur im Verlauf eines
mit kluger Hand gestalteten zeitlichen Werdens. In dessen
Zusammenhange hat als Teilglied, als Element, das einzelne
photographische Bild seinen künstlerisch berechtigten Platz.
Für sich gesehen aber ist es, mag es noch so „ausdrucks-
gesättigt", noch so wohlgefällig sein, dem Filmganzen gegen-
über, immer ein Weniges. Bildende Kunst dagegen bedarf
ihrem Wesen nach des Zeitlichen nicht. Sie ist ein letzter
Wert in sich, über den ein Hinaus, wie es der Film gegen-
über der Photographie ist, nicht gedacht werden kann.

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