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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 9
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Scheffler, Karl: Meier-Graefes "Corot"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0406

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VAN DYCK, CHRISTUS MIT DER WELTKUGEL

MEIER-GRAEFES „COROT"

Erschienen in den Verlagen Bruno Cassirer und Klink-
hardt & Biermann, Berlin 1930. 153 Tafeln in Lichtdruck.

In einer anderen Anzeige eines Buches von Julius Meier-
Graefe habe ich hier einmal gesagt, dieser Schriftsteller sei
nie besser, als wenn er in seinen Künstler verliebt ist. Die
Bücher über Delacroix und Renoir bestätigen es. Dieses neue
große Werk über Corot bestätigt es ebenfalls. Besseres, Gründ-
licheres und im Erschöpfenden doch Liebenswürdigeres hat
der fruchtbare Autor kaum je geschrieben. Mit seinen dreiund-
sechzig Jahren hat Meier-Graefe noch den schönen Jünglings-
zug, daß er schreibt, um sich selbst zu belehren, daß er im
Schreiben selbst die letzte Klarheit gwinnt. Nur so entstehen
die lebendigen Bücher. So kommt es, daß dieses neue Buch
über den Autor ebensoviel aussagt wie über den Künstler.
Um so mehr als der persönliche Anteil keineswegs versteckt
ist. Im Vorwort gibt Meier-Graefe etwas wie einen Rechen-
schaftsbericht, warum er immer noch und immer wieder
über die großen französischen Maler schreibt. Seine persön-
lichen Darlegungen wachsen hier, wie es immer sein sollte,
ins Gleichnishafte hinein, sie gehen jeden Leser irgendwie
an. Indem er seine ununterdrückbare Leidenschaft zugesteht,
mit den Heroen, mit den höheren und reineren Menschen
der Kunst zu verkehren, und indem er damit wie nebenbei
eine Kritik der Zeit gibt, ruft er dem Leser das Wort in
Erinnerung: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will
dir sagen, wer du bist." In seiner Unterhaltung mit einem
anonymen Briefschreiber, der ihm den Vorwurf der Unzeit-

gemäßheit gemacht hat, kommt mit liebenswürdiger Leichtig-
keit zum Ausdruck, was von heroischen Gelüsten auch im
Naturell Meier- Graefes anklingt.

Diese Grundstimmung kommt dem Buch zu statten. Es
ist durchweht vom klassischen Südwind eines heiteren
Heroismus. Das heißt: es ist in der Stimmung dem Wesen
Corots gemäß. Die Liebe zu dem Künstler macht, daß die
Sprache vibriert, daß ebensoviel Zwischen den Zeilen steht
wie darin, daß mit dem gewissenhaften Kunsthistoriker sich
der beschwingte Mensch aufs beste verträgt. Das Gründ-
liche ist parlando gegeben. Aber es ist dieses Mal wirklich
sehr gründlich. Meier-Graefe hat die alte und immer noch
beste Methode befolgt — die freilich genaueste Kenner-
schaft voraussetzt —, daß er die Arbeit seines Künstlers
von Anfang an verfolgt und Bild für Bild betrachtet und
beschreibt, wobei das Biographische wie von selbst mitbe-
handelt wird. Wobei auch eine kritische Sichtung unge-
zwungen vorgenommen wird, dergestalt, daß der Nachdruck
auf die Naturmalerei, auf die Landschaften, durch die die
Naturstudie noch hindurchschimmert und auf die herrlichen
Figurenbilder gelegt wird, auf Kosten der einst so berühmten,
immer mehr aber verblassenden „Souvenirs d'Italie", die
einem oft bedenklichen Manierismus, einer Ateliersystematik
ihr Entstehen verdanken und die — es ist bezeichnend —
zumeist auch Gegenstand der Fälschung geworden sind.
Indem Meier-Graefe so das Wesentliche des Lebenswerkes
betont hat, indem er seinen Künstler mit kritischem En-
thusiasmus von der Wiege bis zum Grabe begleitet, bietet er
das geschlossene Bild eines Malerlebens, auf das kein Emp-
findender ohne Bewunderung und Rührung blicken kann.

POTSDAM, BILDERGALERIE, DETAIL DER DECKE

PHOTO: STAATLICHE BILDSTELLE, BERLIN

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