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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 10
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Bataille, Marie-Louise: Zeichnungen aus dem Nachlass von Degas
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0424

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EDGAR DEGAS, STUDIE VOM RENNPLATZ. FEDER UND TUSCHE

MIT ERLAUBNIS DER D. D. A.

Eine dieser Mappen ist im Besitz des gelehrten
Nachfolgers von Pellet, Herrn Exteens, der der
Verfasser des allgemein anerkannten Katalogs des
Gesamtwerks von Rops ist. Jedes Blatt in dieser
Mappe verrät das scheue Zögern von Degas, sein
Nachspüren, seine Versuche, seine glücklichen
Funde.

Wer würde in diesen Anfängen die kühne
Hand der Tänzerinnenpastelle erkennen? Betrachten
wir zum Beispiel das Männerporträt und die Ita-
lienerin, die in Rom, also um 1856, gezeichnet
sind. Es handelt sich um eines der Lieblings-
sujets der romantischen Schule: die römischen
Frauen gelten als „malerisch", sie haben Corot
entzückt, und selbst der junge Manet konnte sich
ihnen nicht ganz entziehen. Aber dies Sujet war
nicht etwa eine Erfindung der romantischen Schule:
schon im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts
hatte ein flämischer Künstler, Nicolas Wleughels,
der sehr klassische Leiter der französischen Aka-
demie in Rom, die verschiedenen Trachten der
Italienerinnen gezeichnet, und nach ihm hielt „die
Italienerin" ihren Einzug in die schon etwas ro-
mantisch angehauchten Landschaften von Casanova

und anderen. Schon die Tatsache, daß Degas als
junger Kunstschüler, auf seiner Studienreise in
Rom, dies Sujet wieder aufnahm, stempelte ihn zum
Reaktionär, um so mehr als seine Auffassung diesem
Thema nichts Neues abzugewinnen vermochte.
Seine „Italienerin", die noch konventioneller als
seine zu gleicher Zeit entstandene „Römische Bett-
lerin" wirkt, ist äußerst vorsichtig, mit gewischter
Kohle, in einer wolkigen Modellierung gezeichnet,
der man die Estompe anmerkt. Aber eine sichere
Hand ist schon erkennbar, die später durch den
Einfluß Ingres' nervöser werden und auch mehr
ins Einzelne gehen sollte. Der bestimmte Strich
einer Kopfstudie verrät dann den Einfluß des Ma-
lers der „Apotheose Homers". Die Striche sind
fein, sauber, etwas kurz: die Ähnlichkeit mit der
Technik des Stechers, der im Jahre 1856 das Por-
trät von Tourny radiert hat, ist unverkennbar.
Keine Unsicherheit ist zu spüren, vielmehr eine
Festigkeit der Hand, die von Talent zeugt, von
einem Talent allerdings, das sich noch durch die
Gewohnheiten des Ateliers und durch die Einflüsse
Ingres' seinen Weg bahnen muß. Aber wie schön
sind die Vorbilder, an denen Degas sich zu ent-

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