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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 10
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Waldmann, Emil: Ein Bild von Goya in der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0444

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EIN BILD VON GOYA IN DER BREMER KUNSTHALLE

VON

EMIL WALDMANN

~T\as hier abgebildete kleine Ölgemälde (jzVa zu
Z4V2 cm Zedernholz) ist der Goya-For-
schung nicht unbekannt: Es ist die Ölskizze zu
einem zwei Meter großen Staatsporträt im Musee
Bonnat zu Bayonne und stellt den X. Herzog
von Ossuna dar, laut Inschrift auf einer im
Prado in Madrid aufbewahrten Handzeichnung
von Goya. Das große Bild ward im Jahre 1816
gemalt und dem Künstler mit 4000 Realen bezahlt.

Der Herzog steht in einer Berglandschaft, an
einen Felsen gelehnt und sieht in ein Buch oder
einen Brief. Er ist auf einem Spazierritt, links
neben ihm erscheint ein Reitknecht, ein Pferd am
Zügel; er trägt ein elegantes Reitkostüm, gelbe
Hosen, Stulpstiefel, schwarzen Frack und weiße
Krawatte. In der Linken hält er eine Reitpeitsche.

Goyas Vorliebe in jener Epoche für düstere
Farbstimmung spricht in der Olstudie noch stärker
als in dem großen Porträt, wo ein Rot in der
Jacke des Reitknechts die sehr kühle und ge-
dämpfte Farbenharmonie immerhin belebt. Vor
einem schiefergrauen Himmel mit einer perlgrauen
Regenwolke hebt sich die Gestalt schwarz und
dunkelquittegelb ab. Das Haar ist hier strohblond
(in Natur war es bräunlich), die Backen siegel-
lackrot. Neben dem Silbergrau des Apfelschimmels
steht das Gesicht des Reitknechts grau, braun und
rötlich.

Also eine enge Tonskala; aus Grau und Grau-
oliv vor mattem Grau arbeiten sich langsam einige
scharfe Farben heraus: Lackschwarz, Mattgelb,
Weiß und Fleischton mit etwas Rot. Aber inner-
halb des geringen Umfanges von Farben häufen
sich die Abstufungen in großem Reichtum. Das
Bildchen ist nicht nur so hingestrichen, als Vor-
bereitung und flüchtige Farbenskizze etwa, son-
dern sehr gearbeitet, besonders in Farbe und
Licht. Auf Bildnisähnlichkeit hat der Künstler noch
kein Gewicht gelegt, ebensowenig wie in der
Federskizze des Prado, wo der Herzog wieder an-
ders, jugendlicher und lockiger, aussieht. Was
Goya vornehmlich interessierte, ist der sehr mo-
numentale Aufbau, mit mehr Nerv im Plastischen
als etwa Reynolds und Gainsborough dergleichen

machten; und das echt Malerische, diese seltsame
Harmonie, die bei völligem Verzicht auf spre-
chende Töne und den Reiz des Lokalkolorits inner-
lich seltsam farbenreich wirkt, mit jener Farbig-
keit, die Daumier so leidenschaftlich liebte; Farbig-
keit, die um den Mittelpunkt des Schwarz kreist.
Die suggestive Kraft des fast überall stark auf-
getragenen Pinselstriches auf festem geschliffenem
Untergrund erhöht natürlich die Lebendigkeit der
Ton-Sprache. Vergleicht man dieses kleine Bild
mit dem endgültigen Gemälde, so sieht man nicht
nur an dem Unterschied in der Porträtauffassung,
daß Goya sich in dieser kleinen Fassung ganz
rückhaltlos seiner Malerfreude hingegeben und
sich dabei den Bestrebungen der später richtung-
weisenden modernen Malerei, in der Art Gericaults,
Daumiers und Delacroix, so weit genähert hat,
daß man vor diesem Bildchen, kennte man den
Autor nicht, mit unbedingter Sicherheit kaum sagen
könnte, ob man es hier mit einem sogenannten
„Alten Meister" oder mit einem sogenannten „Mo-
dernen" zu tun hat. Dieser Gesichtspunkt wirkte
bei jenen Überlegungen mit, die das Bild für die
Bremer Kunsthalle so besonders erstrebenswert er-
scheinen ließen. Denn die Trennung zwischen
alter und neuer Kunst ist ja doch nur eine öde
Hilfskonstruktion.

Uber den Dargestellten und seine Familie auf
unsrem Bilde macht A. L. Mayer, der die drei Sta-
dien dieses Porträts kennt, in seinem Goya-Buche
einige Angaben. Dieser Francisco de Borja, X.Her-
zog von Ossuna, war im Jahre 1787 als Kind auf
dem Familienbilde Ossuna gemalt worden. Seine
Mutter stammte aus dem Hause Benavente, ver-
wandt mit den Borjas.

Goya machte für ihn sieben große und einige
kleinere dekorative Bilder in seinem Landhaus bei
Madrid. Im Jahre 1785 porträtierte er die Eheleute
und zwei Jahre später malte er das große sechs-
figurige Familienbild, das im Prado hängt. Im
Jahre 1788 schuf er dann, im Auftrag der Her-
zogin, die beiden großen Gemälde in der Valen-
cianer Kapelle des berühmten Heiligen dieser Fa-
milie, des San Francisco de Borja.

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