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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 10
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Basler, Adolphe: Fälscherskandale
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0456

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diese Scheußlichkeiten vielleicht von einem Straßenarbeiter
oder einem Wursthändler, kurz von irgendeinem Sonntags-
maler verbrochen worden waren. Es gibt Fälschungen, die
nach etwas aussehen; aber die falschen Millets, die falschen
Corots, oder die falschen Daumiers von Cazot? . . . das sind
ganz verdächtige Sudeleien, auf deren Plumpheit wohl ein
Schieber hereinfallen kann (ein solcher hat sich übrigens
hereinlegen lassen und für einen falschen Millet 150000
Francs bezahlt); daß ein richtiger Kunsthändler aber in eine
solche Falle geht, ist unbegreiflich.

Zweite Tatsache: Ein besonders geschickter Fälscher kam
zu einem unserer bekanntesten Maler und bat ihn mit voll-
endet weltmännischer Sicherheit, eine Landschaft zu si-
gnieren, die er mitgebracht hatte. Der Künstler betrachtete
lange das Bild, fand nichts darin, was ihn stutzig gemacht
hätte und war nach sorgfältiger Prüfung drauf und dran,
seinen Namen darunter zu setzen, als er plötzlich ein Licht
entdeckte, das nicht in der Skala seiner Valeurs lag. Sofort
war ihm klar, daß ein Fälscher vor ihm stand. Voller Be-
wunderung aber für die Geschicklichkeit dieses Mannes,
kaufte er ihm die Fälschung ab, sowie einige andere, die
teils angelegt, teils fertiggemalt waren, wodurch er der
betrügerischen Nachahmung seiner Malerei einen Riegel
vorschob.

Unter den früheren Schülern von Matisse sind viele, die
Karriere gemacht haben. Einige sind Professoren an den großen
deutschen, skandinavischen und amerikanischen Akademien.
Andere sind Antiquitäten- oder Kunsthändler geworden.
Einer dieser letzten, der während des Krieges einen schwung-
haften Handel mit den echtesten und schönsten impressio-
nistischen Meisterwerken ins neutrale Ausland betrieben und
dabei ein Vermögen verdient hatte, ließ sich von einer so-
genannten Enkelin Manets die abscheulichsten, selbst eines
Cazots unwürdigen Kopien anschmieren. Er stellte sie in
einer bekannten Galerie aus. Dort aber haben ihm die
Leute, die die echten Manets verkauft hatten, Beweise dafür
erbracht, mit welchem Leichtsinn und mit welcher Ignoranz
er gehandelt hatte. Der Unglückliche hat sich von diesem
Schlage noch immer nicht erholt.

Herr Goulinat, ein sehr tüchtiger Experte und anerkannter
Bilderrestaurator, hat vor kurzem einer Zeitung das Geheim-
nis anvertraut, wie man bei Bildern die echten von den
falschen unterscheiden könne. Er meint — übrigens wie
jeder, der sich mit Malerei ernster beschäftigt —, daß das
Meisterwerk sich vor allem durch den Geist offenbart. Die
wissenschaftlichen Verfahren sind nur dazu da, um die Hin-
weise zu bestätigen und zu verstärken, die Instinkt und
Erfahrung dem Kenner geben, der sich in die Empfindung
für die Form und die Geheimnisse der Technik versenkt.
Es gibt bei den Fälschungen ebenso eine Hierarchie wie bei
den authentischen Werken. Nur die Wissenschaft vermag
die Atmosphäre von Uninteressiertheit zu schaffen, die not-
wendig ist, um die einen von den anderen zu unterscheiden.

Indessen stehen solche Mittel der Untersuchung dem ein-
fachen Privatmann, der seine Ersparnisse in einem Kunst-
werk anlegen will, nicht zu Gebote. Wenn nun ein Spe-
zialist aus Leningrad nach gründlichstem Studium zwei
Watteaus, die das Louvre-Museum vor kurzem erworben hat,
für Bilder erklärt, die der Schüler des Meisters von Valen-
ciennes, Quillard, gemalt hat, so hat dieses Licht, das uns
aus dem Lande der Sowjets kommt, denselben Wert wie
die bekannten Erklärungen des Fälschers der Tiara oder des
Fälschers der Flora des Lionardo da Vinci, die es fertig
brachten, Koryphäen der Wissenschaft wie Salomon Reinach
oder Wilhelm von Bode zu überzeugen. Die Experten
können sich auch täuschen. Die Männer, die sich in der
Kunstwissenschaft betätigen, sind nicht unfehlbarer als die
großen Arzte, die durch eine unglückliche Diagnose einmal
unter Tausenden den Kranken ad patres befördern.

Die Serie von Skandalen, die im Kunsthandel Aufsehen
erregen, bieten sicherlich Clement Vautel willkommenen
Stoff, um täglich für eine Million von Lesern seine Weis-
heit aus der Feder zu verspritzen. Die beiden hereinge-
fallenen Händler sind ebensowenig zu bedauern wie der
wucherische Bankier, der, wie mancher seiner Kollegen,
von der Collectionitis befallen ist. Der Glaube der ernsten
Kunstliebhaber wird dadurch nicht erschüttert. Wie ich neu-
lich einmal einem großen Kunsthändler, der über den ver-
zweifelten Tiefstand des Geschäfts klagte, zu seinem Tröste
sagte: „Es wird noch schlechter kommen. Einstmals ging
es Ihrer bedeutenden Firma mit fünfzehn Sammlern, die
etwas von guten Bildern verstanden, glänzend. Mir ge-
nügten ein oder zwei. Und wir waren zwanzig; aber neh-
men Sie selbst an, wir wären dreißig oder sogar hundert
gewesen. Heutzutage gibt es wenigstens zehntausend ein-
getragene oder nicht eingetragene Händler, und hundert
oder Zweihunderttausend Dumme, die von ihnen bedient
sein wollen und vom Bildergeschäft Wunder erwarten, wie
sie die Börse nicht kennt. Wo wollen Sie die Meister-
werke für diese Hunderttausende von Tröpfen hernehmen?"

*

Picasso, der, wie die bösen Zungen in den Cafes des
Montparnasse zischeln, eifersüchtig war, daß alle den Namen
Millets im Munde führten, hat nun auch seinen Eklat. Zwei
Landsleute sollen um den Preis von fünfzehnhundert Pe-
seten der Mutter des berühmten Künstlers die gesamte
Produktion seiner Jugendjahre erpreßt und sie dann an
einige Pariser Kunsthändler für zweihunderttausend Francs
weiterverkauft haben.

Warten wir den Spruch des Gerichts ab, das schon in
verschiedenen Galerien Zeichnungen und Bilder beschlag-
nahmt hat, und hüten wir uns davor, uns die Verleumdung
zu eigen zu machen, wonach die Mutter Picassos durch
Not gezwungen gewesen wäre, sich von den Meisterwerken
ihres Sohnes Zu trennen.

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