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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Friedländer, Max J.: Die Sammlung Schloss Rohoncz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0526

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DIE SAMMLUNG SCHLOSS ROHONCZ

VON

MAX J. FRIEDLÄNDER

TV Itan versteht sich in München auf sommerliche Veran-
LVA staltungen. Die Kunststadt bewährt ihren Ruf und
nutzt ihn aus. Die Ausstellungen nehmen dort einen ge-
fälligen und festlichen Charakter an, werden gern und reich-
lich besucht. Wie schwerfällig und unwirksam richtet man
solche Unternehmungen in Berlin ein, zum Beispiel die Aus-
stellung Alt-Berlin. Diesmal zeigt München in der Residenz,
bequem zugänglich und übersichtlich, kunstgewerbliche Ge-
genstände aus bayerischen und österreichischen Kirchen-
schätzen und in der staatlichen Bibliothek mittelalterliche
Handschriften. Die Sensation aber in der neuen Pinakothek:
die Sammlung „Schloß Rohoncz". Während im letzten Jahr-
zehnt ununterbrochen gejammert wurde über Ausverkauf
und Zerfall des privaten deutschen Kunstbesitzes, bildete
sich eine Sammlung, die an Umfang, Bedeutung und Wert
alle Sammlungen überragt, die nach 1870 entstanden und
zumeist nach 1918 aufgelöst worden sind. Sie füllt, von
Dörnhöffer vorzüglich aufgestellt, das obere Stockwerk der
Pinakothek. Damit ist das Geheimnis des Schlosses Rohoncz
gelüftet, zugleich das Rätsel gelöst, wie der erstarkte und
höchst betriebsame deutsche Kunsthandel die schwere Zeit
überstehen konnte. Der von Dr. Heinemann-Fleischmann
ausgezeichnet redigierte Katalog beschreibt nicht weniger
als 429 Gemälde. Außerdem sind Bildwerke und kunstge-
werbliche Gegenstände zu sehen.

Die Bildergalerie, verblüffend universell, wie der Traum
eines deutschen Museumsleiters, dem die Mittel fehlen, sein
Ideal zu verwirklichen. Nicht ein Privatmann mit Lieb-
habereien und individuellem Geschmack hat gewählt und
gesammelt, sondern ein Kunsthistoriker oder doch ein Mann,
der sich der Kunsthistorie anvertraut hat. Es sieht so aus,
als ob Baron Thyssen eine Mission darin gesehen habe, für
die staatliche Kunstpflege einzutreten, der zur Zeit die Hände
gebunden sind. Amerikanisch nach Tempo, Ausmaß und den
Mitteln, ist die Leistung doch deutsch mit ihrer gründlichen
und gelehrten Vielseitigkeit.

Erstaunlich die Gruppe der Altniederländer. Ich nenne
die Meister, die mit ausgezeichneten und gut erhaltenen
Werken vertreten sind: Roger van der Weyden, Memling,
G. David, D. Bouts, Petrus Christus, Joos van Cleve, Jan
Provost, Lucas van Leyden, Quentin Massys. Beinahe ebenso
glücklich die Reihe der Altdeutschen: Cranach, Baidung,
B. Bruyn mit eindrucksvollen Beispielen, und höchst über-
raschend Altdorfer, der mit zwei Altartafeln, einer kleinen
Tafel, Adam und Eva, und einem Frauenporträt vertreten
ist. In der Literatur sind diese Werke des Regensburgers
nicht bekannt, sie bereichern und erweitern unsere Anschau-

ung, namentlich das Porträt, das kühn und, wie es scheint,
richtig als eine Schöpfung von ihm bestimmt worden ist,
an Unbefangenheit der Auffassung, Freiheit der Pinselführung
und Leuchtkraft des Kolorits nicht seinesgleichen hat.

Dieses Bildnis und das Brustbild einer jungen Frau, das
unter dem Namen Juan de Flandes auftritt, prägen sich am
tiefsten ein. Das Brustbild, kühl, blau schimmernd, von
exotischem Reiz, halb niederländisch, halb spanisch, ist dreist

— hoffentlich richtig — dem Hofmaler der Isabella von
Kastilien, zugeschrieben. Solche Erwerbungen sind Glücks-
fälle, die freilich nur den treffen, der das Glück erkennt,
Mut und Kraft genug hat, es festzuhalten. Anders die Lage
des Sammlers vor den holländischen und vlämischen Bildern
aus dem siebzehnten Jahrhundert. Hier kann er warten und
zögern. Sehr viel war auf dem Markt. Im großen und ganzen
hat sich Baron Thyssen klug entschieden. Fast alle bedeu-
tenden Meister sind vortrefflich vertreten, namentlich Jacob
Ruisdael — mit mehreren Flachlandschaften —, Ph. Koning

— die Landschaft aus der Sammlung James Simon sieht
nach Reinigung wundervoll aus —, Jan Steen, Aart de Gelder
und manche andere Maler.

Unter den französischen Gemälden des achtzehnten Jahr-
hunderts ragen hervor eine figurenreiche Komposition von
Watteau, zwei glänzende Werke von Fragonard, die beiden
Meisterstücke von J. F. de Troy aus der Huldschinsky-Samm-
lung und ein Hubert Robert. Verhältnismäßig schwach die
Engländer des achtzehnten Jahrhunderts.

Kaum lösbar war die Aufgabe, die sich der Sammler ge-
stellt hat, in Hinsicht auf die italienische Malkunst. In die
Freude an vielen Gliedern in der langen Kette mischt sich
das Bedauern, daß Baron Thyssen zu spät gekommen ist.
Das Beste war vergeben. Immerhin, der Erfolg hartnäckiger
Bemühung bleibt imponierend.

Von den Spaniern tritt Greco eindrucksvoll auf, nament-
lich mit der „unbefleckten Empfängnis" aus der Sammlung
v. Nemes.

Ich weiß nicht, ob Baron Thyssen sein Werk für be-
endet hält. Hoffentlich ist dem nicht so. Erweiterung und
Bereicherung — auch Reinigung — wären denkbar. Die
französische Kunst des neunzehnten Jahrhunderts fehlt fast
ganz. Sie gehört dazu, wenn man als Historiker rückwärts
blickt. Als Herr von Nemes vor Jahren seine Sammlung
zeigte, wirkre das Beieinander der „alten" Meister mit Manet
und Cezanne sensationell, als eine persönliche Kühnheit im
weitsichtigen Zusammenfassen, heute ist es Bedürfnis, und
wir halten es für einen Vorteil des Privatsammlers, daß er sich
nicht an die obsolet gewordene Zeitgrenze zu halten braucht.

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