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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Glaser, Curt: Pariser Saison
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0529

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PARISER SAISON

T~\ie Pariser Saison, die mit einer wahren Flut von Aus-
Stellungen im Anfang des Monats Juni ihren Höhepunkt
zu erreichen pflegt, stellt an die Aufnahmefähigkeit des
Kunstfreundes keine geringen Anforderungen. Das Jubi-
läum der Romantik wurde mit einer Reihe offizieller Ver-
anstaltungen begangen, deren größte und wichtigste die
Delacroix-Ausstellung war. Aber auch das Victor-Hugo-
Museum, dessen Leiter Reymond Escholier als einer der besten
Kenner der romantischen Bewegung in Frankreich gelten
kann, hatte sich zur Hundertjahrfeier des „Hernani" ge-
rüstet, und im Musee des Arts decoratifs wurden die Möbel
und der künstlerische Hausrat der Epoche gezeigt, die, noch
bis vor kurzem gering geachtet, heute in Paris eifrig ge-
sammelt und zuweilen erstaunlich hoch bezahlt werden.
Gleichzeitig wurde im Petit Palais eine andere Hundertjahr-
feier begangen, denn das Jahr des „Hernani" ist auch das Jahr
der denkwürdigen Expedition nach Algier, die Frankreich
die Herrschaft über einen wesentlichen Teil des nördlichen
Afrika eintragen sollte.

Man kann in künstlerischer Hinsicht eine Beziehung
zwischen den beiden Ereignissen finden, da die romaniische

Stimmung durch eine Sehnsucht nach fernen Zeiten wie
nach fernen Ländern gleichermaßen gekennzeichnet wird.
Es verwirklichte sich ein alter Künstlertraum, wenn Dela-
croix schon im Jahre 1832 im Gefolge der militärischen
Eroberung Gelegenheit fand, eine Reise in die Märchen-
länder des maurischen Afrika zu unternehmen. So mochte
man sich von dieser Ausstellung mancherlei Aufschlüsse
auch in künstlerischer Hinsicht versprechen. Aber man war
ein wenig enttäuscht, da Delacroix doch nur schwach ver-
treten sein konnte und eine Reihe geistreicher Studien
Chasseriaus, der 1847 Algier besucht hat, kaum einen voll-
wertigen Ersatz boten. Im übrigen aber hat der Anblick
des wahren Orient, wie es scheint, kaum wesentlich an-
regend auf die malerische Phantasie gewirkt. Ingres hat
seine Odalisken, ebenso wie Matisse, in seinem Pariser
Atelier gemalt, und wenn man das schönste Bild der Aus-
stellung bezeichnen sollte, so war man geneigt, Ingres'
Porträt des Herzogs von Orleans den Preis zuzuerkennen.

Man war wohl in diesem Jahre ein wenig übersättigt
von Romantik, und man fühlte sich darum doppelt hinge-
zogen zu einer Ausstellung von Werken Corots, die Paul

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