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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 12
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0539

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DIE MARIA THERESIE N-A USSTELLUNG
IN WIEN

Man hatte Ursache, gegen diese anläßlich der 150. Wieder-
kehr des Todestags Maria Theresias für diesen Sommer
geplante Ausstellung mißtrauisch zu sein; künstlerisch konnte
sie den Begriff des österreichischen Barock, wie ihn uns das
Museum im Unteren Belvedere lebendig gemacht hat, mangels
weiteren zugänglichen Materials kaum vertiefen und kultur-
historisch aufgezäumt konnte sie zu einer Gefährdung des
Schlosses Schönbrunn werden, das als der Lieblingssitz der
Kaiserin doch ihr natürlicher Rahmen sein mußte. Jede
fremde Zutat drohte den Eindruck der Räume zu stören.
Nun, die Pessimisten sind angenehm enttäuscht worden; man
hat die reizenden Interieurs von Schönbrunn belassen, wie
sie sind, oder durch Austausch späterer Einschübe gegen
mariatheresianische Stücke diskret bereichert, in beiden Fällen
aber erst eigentlich erschlossen, da man sie jetzt zum ersten-
mal ohne die zur Eile mahnende Laursprecherei eines füh-
renden Schloßdieners in Ruhe genießen kann. Das kultur-
historische Element hat man, wo es sich systematischer ge-
bärder, in Nebenräume verbannt und sonst in unauffällige
Vitrinen verstreut. Unter dem Glas der Tischplatten liegen
graphische und schriftliche Dokumente; manche von ihnen
sind so entzückend und erfrischend wie der Ausblick, der
über sie in die lieblichen Labyrinthe des Schönbrunner Schloß-
parks führt. Die Briefe der Kaiserin an Familienangehörige
oder vertraure Diener, ihre Randbemerkungen zu Staatsakten
sind so persönlich und schlagend wie die ihres großen Geg-
ners; aber wo er seinen philosophischen Geist und könig-
lichen Witz sprühen läßt, entfaltet sie ihre weibliche Klug-
heit und kaiserliche Güte. Eine Sammlung von Friedrichs II.
und Maria Theresias eigenhändigen Geschäftserledigungen
wäre ein reizvoller Beitrag nicht nur zur Psychologie von
Mann und Frau, sondern auch zu der von preußisch und
österreichisch. Diesem Gegensatz entsprechend ist die ganze
Ausstellung mehr auf Liebe als auf Bewunderung eingestellt.

Ein paar sehr zusammengedrängte Sonderausstellungen
huldigen dem speziell kunsthistorischen Interesse: eine Aus-
wahl von Handzeichnungen, eine Architekturabteilung mit
großenteils unbekannt gewesenem Material (Hildebrandts
Modell der Wiener Piaristenkirche), kirchliches Kunstgewerbe,
eine schöne Gruppe von Pastellen Liotards, etwas an Klein-
plastik und Büsten. Dazwischen als vornehme Fremde — in
der Abteilung Freund und Feind — Bouchers Mme. Pompadour
aus Rothschildschem Besitz; ihr französischer Esprit macht
den österreichischen genius loci, der sonst hier waltet, noch
deutlicher. H. Tietze

WIENER BAU- UND HANDWERKSKUNST
r\era deutschen Werkbund, der in diesem Jahre hier tagte,
wurde an drei Stellen der Anspruch Wiens auf einen
führenden Platz innerhalb der angewandten Kunst der Gegen-
wart dargetan. Den historischen Anspruch stellte die Otto-
Wagner-Gedächrnisausstellung dar, die ein Kreis seiner
Schüler im Künstlerhaus veranstaltete; aus der sorgfältig
durchgeführten Darbietung der zahlreichen ausgeführten und
noch zahlreicheren projektierten Werke des Meisters ergab
sich nicht nur dessen Bedeutung als Bahnbrecher moderner
Baukunst, sondern auch, daß diese Bedeutung aus der heute

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HANS THOMA, STUDIENZEICHNUNG. KREIDE

AUSGESTELLT IN HER BADISCHEN KUNSTHALLE, KARLSRUHE

weit zurückliegenden Baugesinnung des ausgehenden neun-
zehnten Jahrhunderts höheren Glanz gewann. Wie Otto
Wagner in der klaren Zweckbeziehung und struktiven Ehrlich-
keit seiner Bauten vieles vorwegnahm — bisweilen unter
einem leichten Schleier abgetaner Jugendstilornamentik —,
was nachmals Gemeingut geworden ist, ist erstaunlich; er-
schütternd ist aber, wie diese nur um eine Generation zu-
rückliegende Zeit bei jeder Aufgabe die monumentale Lö-
sung forderte, Architektur als eine künstlerische Betätigung
ansah, der alle technologische Bemühung nur dienstbar zu
sein hatte. Daß Otto Wagners Bauten bei aller Rücksicht
auf Gebrauchszweck und Materialgerechtigkeit sich zu aller-
erst als Ausdruck künstlerischer Schöpferkraft geben, scheidet
sie grundsätzlich von den Arbeiten seiner Schüler, die seine
Formensprache übernommen, aber mit einer anderen Ge-
sinnung erfüllt haben. Hier klafft eine tiefe Scheide; sie
sind die Organe eines utilitaristisch gerichteten Bauwillens,
Wagner aber ist der letzte große Baukünstler, der unbe-
schadet des Streites der Meinungen über einzelne seiner
Werke seiner Zeit als einer ihrer schöpferischen und re-
präsentativen Menschen galt.

Was aus seinem Erbe geworden ist, zeigen die beiden
anderen Ausstellungen, die des österreichischen Werkbundes
im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie und
die „Buch und Raum der Gegenwart" betitelte im Künstler-
haus; beide im wesentlichen gleichgerichtet, nur daß die
letztere mit einer sich nicht ganz organisch einfügenden
Spezialabteilung für Bucheinbände belastet ist und daß die
erstere den gemeinsamen Grundgedanken mit größerer Folge-

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