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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0004

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Korrespondenzen nus Berlin und Paris.

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nähert sich der Gruppe, um einen Zug zu thun, über
welchen die anderen nachzudenken scheinen. Viel Vvn
dem Nachdenken ist in ihren Gesichtern allerdings nicht
zu merken, da es nicht Makarts Sache ist, Köpse zu
malen, in denen sich irgend eine Spur von geistiger
Thätigkeit spiegelt. Nach der rechten Seite wird die
Komposition durch eine grünlich-blaue Gardine abge-
schlossen, welche mit Weiß und Purpur die drei domi-
nirenden Farben bildet, denen sich die sekundären zu
einem Ensemble unterordnen, dem wenigstens die Har-
monie und der sinnliche Reiz nicht abzusprechen sind.

Ein anderes Ereignis des Tages ist das neue
Gemälde des französischen Schlachtenmalers Alphonse
de Neuville, das gegenwärtig in dem vonderBehren-
straße nach den Linden Nr. 13 übergesiedelten Kunstsalon
von Fritz Gurlitt in Verein mit etwa 40 anderen
Bildern lebender Künstler ausgestellt ist. Das Bild
gehört zu den besten Leistungen des diesjährigen Pariser
Salons, was allerdings nicht viel sagen würde, da es
dort nicht gegen große Rivalen zu kämpfen hatte. Jn-
dessen besteht es auch in seiner jetzigen Jsolirung eine
scharfe Prüfung mit Ehren. Da es der Berichterstatter
über den „Salon" nur mit wenigen Worten abgethan
hat, wird es den Lesern willkommen sein, etwas Näheres
über die neueste Schöpfung des Malers von „Le
Bourget" zu erfahren. Bei der Betrachtung desselben
muß man aber jede nationale Empfindlichkeit beiseite
lassen. Neuville führt bekanntlich auf seiner Leinwand
einen erbitterten Revanchekrieg gegeu die Prussiens, die
er für ein Gemisch ans Hunnen, Sorben und ähnlichen
körperlich verwahrlosten Völkerschaften hält. Diese
abominabeln Barbaren haben die ritterlichen, hochher-
zigen Franzosen nur durch die Übermacht besiegt, indem
sich immer ihrer Fünfe auf Einen stürzten, und an den
Wehrlosen und Berwundeten wurden denn auch noch
zum Überfluß die abscheulichsten Grausamkeiten verübt.
So ungefähr hat sich Alphonse deNeuville seine Kriegs-
geschichte zurecht gemacht, und von diesem Gesichts-
punkte aus schildert er auch den Kampf um den
Kirchhof von St. Privat, welcher in der vierten Nach-
mittagsstunde des 18. August 1870 die Schlacht von
Gravelotte entschied, indem damit eine der wichtigsten
Positionen der Franzosen genommen wurde. Däs ver-
rammelte Thor des Kirchhofs, von welchem die Fran-
zosen ein verderbliches Feuer gegen die stürmende Garde
unterhielten, ist eben unter den Kvlbenstößen der Grena-
diere zusammengebrochen. Wie ein lange aufgedämmter
Fluß ergießt sich die Schar der Angreifer durch die
Bresche, allen voran ein Offizier, der seinen Revolver
auf den ersten besten der Verteidiger, die zu einem
kleinen Häuflein zusammengeschmolzen sind, abschießt.
Dieser Zusammenprall, welcher dett Höhepunkt der
Komposition bildet, ist mit außerordentlichcr Energie ge-

schildert, mit einer so nngewöhnlichen dramatischen
Kraft, daß das künstlerische Jnteresse das patriotische
in den Hintergrund drängt. Man sieht nicht mehr
die rothaarigen, grobknochigen Köpfe der preußischen
Offiziere und Soldaten, nicht ihre ungeschlachten Körper,
sondern die Details verlieren sich in den mächtigen
Bravour der bis zum höchsten gesteigerten Bewegung,
welche die aufeinander stürmenden Massen durchzuckt.
Jm Mittelgrunde lehnt eine Reihe von verwundeten,
kampsunfähigen Franzosen, welche mit stummer Resigna-
tion deu Ausgang der Katastrophe erwarten, an einer
Mauer. Von links her stürmt eine andere Abteilung
preußischerGardisten in den Kirchhof, welche mit leichter
Mühe einige Gegner, die sich ihnen noch in den Weg
stellen, niederwerfen. Äm Vordergrunde liegen ein paar
Tote an der zerschossenen Mauer. Äm Hintergrunde
rechts sieht man brennendeGehöfte und größere Kolonnen
deutscher Soldaten. Über das Ganze breitet sich ein
bleigrauer, von Pulverdampf geschwärzter Himmel,
unheimlich von den Flammen beleuchtet. Dadurch
konnten überall kräftige Töne angeschlagen und die bei
Schlachtenbildern sonst so gefährliche Buntheit glücklich
vermieden werden. — Es ist begreislich, daß neben einer
auch malerisch so außerordentlich wirksamen Leistung
die übrigen zugleich ausgestellten deutschen Bilder einen
schweren Stand haben. Die bedeutendsten unter ihnen
sind drei Gemälde Böcklins, eine Frühlingslandschaft
mit zwei Nymphen und einem die Syrinx blasenden
Faun, eine Kleopatra, die eben die Schlange an den
Bnsen setzt, eine schon stark verblichene Schönheit, deren
Entschluß nicht zu mißbilligen ist, und das Porträt
eines Knaben, welches mindestens den Beweis liefert,
daß Böcklin kein Porträtmaler von hervorragenden
Qualitäteu ist, ferner eine feingestimmte Strandland-
schaft von E. Dücker und eine nächtliche, sehr esfekt-
voll beleuchtete Landschaft von Oswald Achenbach
„St. Agnesfest in Casamicciola auf Äschia".

Paris, Anfang OktoLer.

Wir Franzosen Pflegen in der Regel unsere Än-
stitutionen nach deren Resultaten zu, beurteilen, nach
seiner Frucht schätzt man bei uns zu Lande den Baum;
weshalb denn auch unsere römische Schule mir nicht
geringe Sorge einflößt und mich fast fürchten läßt, daß
unsere Budgetmacher binnen kurzem sich der Meinung
zuwenden werden, sie hätten einen kleinen Vorteil all
zu teuer bezahlt. Denen, die solches behaupten, wird es
an Argumenlen nicht fehlen, von deren Richtigkeit die
etwaigen Gegner durch einen Besuch in der Lools äss
bsuux-Lrts sich überzeugen könnten, allwo jedes Äahr
zur Ausstellung gelangt, was in der abgekürzten Sprache
der Ateliers und Presse in die Rubrik der römischeu
 
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