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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Woermann, Karl: Die Biel-Kalkhorstsche Stiftung für Frescomalerei und ihre jüngste Verwendung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0097

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Die Biel-Kalkhorstsche Stiftung für Frescomalerei und ihre jüugste Verweudung.

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Entwurfes. Der Ausführung desselben stellte sich nur
die Schwierigkeit entgegen, daß Stummel, ein ehemali-
ger Schüler von Gebhardts, die Akademie schon seit
anderthalb Jahren verlassen hatte, um seine Studien
in Jtalien fortzusetzen. Erst nachdem Freiherr von
Biel-Kalkhorst ausdrücklich genchmigt hatte, daß dies-
mal statt eines aktiven ein ehemaliger Schüler gewählt
werde, wurde demselben der Auftrag erteilt, das Bild
zu malen. Er hat es während des Sommers 1881
ausgeführt. Jn diesem Herbste wnrde es von dem
Direktorium der Akademie gutgeheißen. Auch der
Schreiber dieser Zeilen hat dieser Tage einen Ausflug
nach Euskirchen unternommen, um das Stummelsche
Fresco in der Ruhrschcn Villa zu besehen, und er
glaubt es der Stistung schuldig zu sein, an dieser
Stelle kurz über diesen Ausflug zu berichten.

Euskirchen, ein der Wollenindustrie ergebenes Städt-
chen am Knotenpunkte der Bahnen von Köln nach
Trier und von Bonn nach Düren, liegt in sreundlicher
Hügelgegend. Die Ruhrfche Villa liegt frei in ihrem
eigenen Garten. Sie ist schon ihrer kunsthandwerk-
lichen inneren Einrichtung wegen eine Sehenswürdig-
keit. Die schmiedeeisernen Treppengeländer, die ebenso
beschlagenen, dunkelgebeizten Thüren, die bemalten Holz-
decken, die schönen, in Herrn Ruhrs eigener Fabrik nur
für sein Haus hergestellten, mit Gold und Silber durch-
wirktcn antikisirenden Borhangstosfe, die sinnreichen
Sprüche an den Wänden, die alten Möbel in allen
Zimmern, selbst in den Schlafzimmern, alle diese Dinge
sind aus einem Gusse gedacht und durchgcführt. Das
größte Zimmer des Hauses ist die Gemäldegalerie, die
zwar crst die Anfänge eincr Sammlung, aber doch
schon manches hübsche Bild der Düsseldorfer und der
Münchener Schule enthält. Von besonderem Jnteresse
sind die beiden Jugendbilder E. v. Gebhardts, dessen
berühmtes Abendmahl und dessen erst vvr einigen
Monaten vollendete Himmelfahrt Christi die Berliner
Nationalgalerie schmücken. Herr Ruhr besitzt Geb-
hardts 1863 gemalten „Einzug Christi in Jerusalem"'
das Bild, welches in Künstlerkreisen nach dem Orte^
dessen Äußeres er seinem Jerusalem geliehen, „Der
Einzug Christi in Gerresheim" genannt wird; und er
besitzt desselben Meisters 1864 gemalte „Auferweckung
von Jairus' Töchterlein": dort eine interessante Land-
schaft, hier ein interessantes Jnterieur, dort wie hier
bedeutsame Kompositionen und Gestalten, in denen die
Erinnerungen an die alte Düsseldorfer Schule, welche
Gebhardt später ganz abgestreift hat, noch vernehmlich
genug anklingen! Das durch die Biel-Kalkhorstsche
Stiftung entstandene Fresco aber, welches Dürers Em-
pfang bei den Antwerpener Malern im Jahre 1521
nach Maßgabe seines eigenen Reisetagebuches darge-
stellt, nimmt, von figürlichen und Pflanzlichen Orna-

menten auf Goldgrund umrahmt, die ganze thürlose
Langwand des Speisezimmers ein. Es besteht aus
etwa anderthalb Dutzend lebensgroßen Figuren vor
der Straßenwand des Gildensaals, welche, abgesehen
von den mit goldenen und silbernen Kunstgefäßen ge-
schmückten Mittelschrein, ganz aus Fenstern bcsteht,
durch die man in die klar und kühl gestimmten Straßen
und auf die Kathedrale Antwerpens hinausblickt. Die
Figurenscenen sind hübsch vor diesem Hintergrunde an-
geordnet. Links steht der gedeckte Festtisch, an dem
einige Meister und Meisterinnen Platz genommen haben,
während andere zur Begrüßung Dürers aufgestanden
sind und vor dem Ende des Tisches mitten im Bilde
drei Frauen stehen, welche den oberdeutschen Meister
(doch wohl allzumodern gedacht!) mit einem goldenen
Lorbeerkranze empfangen. Dürer selbst aber wird,
gerade so wie er auf dem Wiener Allerheiligenbilde
aussicht, von rechts durch dcn Gildenmeister die Stufen
unter der Eingangsthür herabgeführt, und hinter ihm
schreitet seine Gattin, wie er sie selbst auf dieser nieder-
ländischen Reise gezeichnet hat, von dem Bannerträger
der Gilde geleitet, noch auf einer höheren Treppen-
stufe; ganz oben in der Thür folgen andere Paare.
Wenn auch einige Bewegungen etwas steif, einige
Farbenakkorde etwas hart, einige Gesichter etwas aus-
druckslos sind, so ist das Ganze doch eine wohlge-
lungene Arbeit, die die Begabung des jungen Künstlers
in besserem Lichte zeigt als irgend etwas, was er früher
geschaffen. Bei den Köpfen hat Stumniel einige alte
Bildnisse verwertet, wie diejenigen der Maler Joach.
Patinir und Q. Massys, von denen wir wissen, daß
sie damals in Antwerpen lebten; andere zeigen die
Pvrträts von Frcundcn und Angehörigen des Hcrrn
Jakob Ruhr, der sclbst natürlich auch nicht vergessen
ist. Die Farbenwirkung ist frisch und kräftig; und eine
gewisse Frische und Kraft, hier und da durch feiner
gefühlte künstlerische Motive gehoben, zeichnen das Ge-
mälde überhaupt aus.

Die Hauptsache, auf die auch dieser Artikel zu-
nächst hinauswill, ist, daß hier zum erstenmale die edle
Absicht des Freiherrn von Biel-Kalkhorst, zugleich einem
jungen Künstler Gelegenheit zu geben, sich zu üben,
und Privatkreisen Anregung zur Förderung der Kunst
im Hause (und zwar einer ernsten und monumentalen
Kunst im Hause) zu geben, vollständig erreicht sist;
denn in München und Berlin sind unseres Wissens die
infolge der Stiftung entstandenen Bilder nicht in
Privathäusern ausgeführt worden. Gerade deshalb
verdient die ganz programmgemäße Ausftthrung der
Stiftungsbestiminungen in Euskirchen in besonderein
Grade die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise von
Kunstfreunden.

Jn wie hvhem Grade in der That es der Biel-
 
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