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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Haupt, Richard: Ein Schmerzensschrei aus Schleswig-Holstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0121

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237

Ein Schmerzensschrei aus Schleswig-Holstein.

238

Kinde dar und sei in Köln verfertigt. Jn der That
hieß die Jnschrift (von Jensen mitgeteilt):

0 8unotn Ooloniu Oluuäo Lso Oruls.

I'or vnäsnn inilliu VirA'inuin äonulu

<Tuo pro äei Aloriu 8nnl rido purnla
?ro luurum violorin 0slilu8 zmontu

8il nodis ^ropitin 1)oilL8 doulÄ

NOVXVII.

Zu Dcutsch alsv etwa, ich denke, nicht ininder zierlich:
Heiliges Köln, dem Herrn sürwahr Laß dein Lob erschallen
Der eilftausend Jungfern Schar Hat geschenket allen
Was zu Gottes Ruhine klar Hier ist ausgefallen

Und ihr Sieg so nmnderbar Mög'aus Himmelshallen
Auf uns lenken immerdar Gottes Wohlgefallen.

1417.

Hoffentlich ist die Cchnitzerei und Malerei besse^
gewesen als die Dichterei. Die Jahreszahl ist ver-
lockend. Zweihundert Jahre srüher bezog man übrigens
den Stoff zu ganzen Kirchen im Schleswigschen und
Jütischen vom Niederrheine aus dem Brohlthale; das
siud dic Tuff(Traß)kirchcu; auch die ältcstcn Särge
sind aus rotem rheinischen Sandsteine.

Eine jener vortrefflichen Kanzeln aus dem Ende
des 16. Jahrhunderts, an denen unser Land so reich
ist, wohlerhalten mit schvnem Schalldeckel, bildet nun
nebst dem bronzenen, 1670 aus einer Glocke gegossenen,
nicht ganz nninteressanten Taufständer mit Taufschüssel
der bckanntcn Art, außer dem ueugotischen Altarc, das
zur Beachtung Einladende dcr Kirche im Jnnern.

Abcr besonders merkwürdig für uns ist die Wvlbung,
und in dieser Hinsicht scheint die Kirche in diesem
Lande einzig dazustehen. Es ist eine symmetrisch
zweischisfige Hallenkirche.

Der Bau mag aus dem 13. Jahrhundert stamnien,
d. h. die Umfassungsmauern, wenigstens des Schiffes,
wenn auch wohl nicht in voller Höhe, und ist, wie so
viele Kirchen des Landes, nachträglich eingewölbt wor-
den, wobei der wenig schmalere, aber recht lange Chor
vielleicht' ganz neu gebaut ist. Da die lichte Breite
des Schisfes mit 10 in gegeben war — lang ist es
16m —, so griff man zur Zweischiffigkeit. Die Decke
des Schiffes stützen daher drei runde Säulen aus Hau-
stein (wohl Granit), etwa 3 m hoch, so dnß das Schiff
dreijvchig sechs guadratische Kreuzgewölbe enthält. Die
dritte Säule steht in der Flucht der Ostmauer und
stützt beide Chorbogen. Der Chor enthält ein natür-
lich höheres guadratisches Kreuzgewölbe von 7,5 m
Seitenlänge, und das ebenso lange letzte Joch zeigt
sünf Seiten des Achtecks.

Nach der Änschrift einer im Chore eingelassenen
Tasel legte Herzog Frederich (nachher König Friedrich I.)
den 15. Dez. 1520 den ersten Stein „to äor Iiullon
jnt Xoor", d. h. wohl zum Gewölbe.

Damit stimmen die allerdings spärlichen Zier-
formen der Kirche überein. Die Chorbogen und der
dahinter befindliche Gurt sind uicht gegliedert, die
Risipen der Krenzgewölbc aber (Schildbogen sind nicht
vorhanden) und die Gurte ^— auch Scheidbogen sehlen
— sind einfach beiderseits gekehlt, ruhen an der Wand
auf profilirtcn Konsolen, mitten auf den viereckigen,
schwächlich (Kehle nnd Stab) profilirtcn und ohne
Vermittelung auf die runden Säulen gelegten Deck-
platten derselben, während die Sockel durch Anläuse
aus dem Vier- ins Achteck übergehen. Alle Gewölbe-
bogen sind schwach zugespitzt. Die Fenster sind größten-
teils geändert und scheinen im Schiffe, mit doppelter
gefaster Kante nach außen, rundbogig geschlossen ge-
wcsen zu sein, während im Chvrc zwei spitzbogige, mit
schrägen Gewänden, vcrmauert erhaltcn sind. Von
Jnteresse sind aber die Thüren: die Bogen aus Sand-
stein sind in sauberer Weise prosilirt mit Kehle und
Stab, die Südthüre (im Chore neben der Jnschrist)
mit sich schneidenden Stäben. So sinden wir hier,
wie in Lübeck an der schönen gleichzeitigen, leider nun-
mehr ganz zerstörten Annenkirche, den Sandstein in sehr
sauberer Ausführung neben dem Backstein; es ist nicht
ausgeschlossen, daß, wic die Thürrahmen, Säulensockel
nnd Plattcn und die Kragsteine, so auch das etwa
vorhanden gewesene Fensterwerk (wie bis vor kurzem
z. B. in Oldenburg i. W.) aus Sandstein war. Daß
König Friedrich I. einen sreien Sinn auf dem Gebiete
der Künste hatte, bcwcist manches. Sein Grabmal
zu Schleswig (er starb 1533) ist von niederländischer
und florentinischer Herkunft, sein herrliches Bronze-
Kenotaph zu Bordesholm, nach 1514, dcutet auf Vischer,
und so erinnert auch unsere Kirche mehr als wohl
irgend eine andere des Landes an fränkische Bauwerke.

Jm 17. Jahrhundert sind in vielen Kirchen des
Landes die Gewölbe eingestürzt, oder es sind Anker
eingelegt und Streben angelegt worden. Das Jahr-
hundert war den Bauwerken nicht günstig. Auch uusere
Kirche hat eine weitgehende Durchankerung erfahren,
starke plumpe Widerlager überall erhaltcn vder erneuert
bekommen, sv daß von der alten Außenseite wenig zu
unterschciden ist. Weiter ist sie bis hentc, was die Ge-
wölbe und das Mauerwerk anlangt, in immer kümmer-
licheren Zustand geraten. Weil das Äußere, trotz eines
sehr störenden Kalkanstriches (wie er leider, alles äußer-
lich Charakteristische an den Kirchen verwischend, in
unserem Jahrhundert im Schleswigschen immer mehr
um sich gegrifsen hat), gleichwie das Dach durch Ver-
nachlässigung in stets größercn Verfall geriet, und end-
lich natürlich auch das Gewölbe arge Risse bekam, ist
eine durchgreifende Reparatur unvermeidlich geworden.
Da man sich schon lange, wie verlautet, nach einem
Kirchturme gesehnt hat — der jetzige ist nach alter
 
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