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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Pecht, Friedrich: Die Kunstpflege in Bayern, [1]
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251

Die Kunstpflege in Bayern.

252

Civilliste auf seine ebenso prachtvollen wie leider wenig
bekannten Bauten. Schon gleich bei seinem Regierungs-
antritte berief er auf Richard Wagners Beranlassung
den genialsten aller dentschen Architekten, Semper, um
durch ihn jenes große Festtheater entwerfen zu lassen,
das vielleicht seine schönste Komposition zn nennen ist,
ein Meisterwerk, welchcm München nichts Ähnlichcs
hätte entgegensetzen können. Wäre diese erste Unter-
nehmung dem jungen Monarchen gelungen, so würde
nichts gewisser gewesen sein, als daß-er ihr noch viele
andere hätte nachfolgen lassen, welche München zur
schönsten Stadt Deutschlands machen und ihr eine uncr-
meßliche Anziehungskraft verleihen mußten. Lebt Jsar-
Athen schon heute zum großen Teil von der Knnst und
Kunstindustrie und dem ganz allein durch sie herbeige-
führten ungeheuren Fremdcnbesuch, so war Semper ganz
der Mann, diese Anziehungskraft zu verdoppeln, vor
allem der Kunstindustrie schon damals jenen Ausschwung
zu verleihen, den ihr zwölf Jahre später erst die Aus-
stellung vom Jahre 1876 gab. Wer wüßte aber nicht,
was zwölf Jahre Vorsprung bedeuten in unserer Zeit!

Statt jedoch das Vorhaben des Königs mit Jnbel
zu begrüßen, zeigte sich gerade in München selber der
unvernünftigste Widerstand dagegen, der mir in meinem
Leben vorgekommen, wenn nicht der, welcher sich gegen
die großen Pläne des Reichskanzlers regelmäßig in ganz
Deutschland erhebt, ihn an Stupidität noch überbietet.
Dank den Hetzereien der ultramontanen Presse und ge-
wisser Cliguen geberdeten sich viele Münchener, als würde
ihnen das Geld zum Bau aus der Tasche gestohlen;
sogar die Künstler blieben nicht frei von dem Wahn-
sinn, bis der König, über so viel Unverstand verstimmt,
den Plan aufgab und sich offenbar zuschwor, seinen
treuen Unterthanen nie mehr mit Prachtbautcn be-
schwerlich zu fallen.

Man befände sich aber dnrchaus im Jrrtnm, wenn
man annähme, es sei etwa der Pöbel, der bei solcher
Opposition gegen die edelsten Absichten den Ton an-
gebe. Jm Gegenteil hat das Volk als solches eine
natürliche Freude an allen mvnumentalcn Banten;
es sind gerade die sogenauntcn Gebildeten, die hier an
der Spitze des Widerstandes stehen. Welchen erbitterten
Widerspruch hatten nicht schvn bei seinen getrenen
Ständen die Bauten des Königs Ludwig I. gefunden,
die doch München aus einem schmutzigen elenden Pfaffen-
nest zum Wallfahrtsort der ganzen civilisirten Welt
machten! Dann verweigerten die Stände wiedernm
dem Kvnig Max die bcscheidenen Beträge einer kleinen
Übcrschreitung bei dem Regierungsgebäude, so daß dieser
zierliche Terrakottenbau jahrclang unfertig stehen blicb.
Nur mit vieler Mühe waren sie endlich zur Übernahme
jenes wahrhaft aus der Erde gestampften National-
museums zu bewegen, das heute eine der ersten Samm-

lungen seiner Art in der Welt ist und einen zehnmal
höheren Wert repräsentirt, als es dem Staate kostete,
da der König alle seine Paläste und Schlösser für das-
selbe leerte. Als nach seinem Tode der Bau des Poly-
technikums aufgeführt wurde, der eine neue, gesündere
Periode der Architektur in Bayern eröffnete, konnte bis
heute nicht einmal die unbedeutende Summe für die
künstlerische Ausschmückung der Anla von den Ständen
erwirkt werden, nachdem Neurenther mit unendlicher
MUHe die Dekoration des Vestibüls und Treppen-
hauses aus der Bausumme, in der sie gar nicht vorge-
sehen war, recht eigentlich herausgeschunden hat. Hatte
ihn doch früher der Minister von der Psordten sogar
gezwungen, bei dem zierlichen Würzburger Bahnhofe,
einem Juwel von Kunst, einen kleinen Springbrunnen
wieder abzureißen, den er im Wartesaal angebracht,
„weil er keine Kunst wolle in Staatsgebäuden".

Diese in unserer gefamten dentschen Bureaukratie
nur allzuweit verbreitete Abneigung gegen jeden künst-
lcrischen Schmuck ist bei ihr in den letzten zwölf Jahren
allerdings etwas erschüttert worden; in den Dorf-
pfarrern, Bierbrauern, Advokaten und Landbürger-
meistern, denen die Vertretung des bayerischen Volkes
und seiner höchsten Kulturinteressen von der Weis-
heit der Wähler dermalen anvertraut wird, lebt diese
Abneigung aber noch nngeschwächt fort, und zwar auf
der liberalen Seite kaum weniger als auf der ultra-
montanen. War es doch ein sehr berühmter liberaler
Deputirter, der auch ini Reichstage eine nicht wenig
bedeutende Rolle spielt, welcher bei der Erbauung
des neuen Münchener Bahnhofes es mit grvßter
Heftigkeit tadelte, daß der Architekt die Wartesäle
erster und zweiter Klaffe sowie die Restauration mit
künstlerischem Schmuck ausgestattet hatte. Natürlich
hatte nun die Direktion, der man Fanatismus sür
Kunst ohnehin noch niemals vorgeworfen, nichts Eili-
geres zn thun, als alle Bestellnngen von gemalten
Mcdaillons, Büstcn n. dgl. für den Rest des Gebäudes
sofort zurllckzunehmen, und es bedurste langer An-
strengungen, um sie schließlich doch noch zu retten. —
Aber das glänzendste Beispiel der leidenschaftlichen
Vorliebe unserer Volksvertreter für die Kunst gewährt
der Akademiebau. Unter dem Eindruck der großen
Ereigniffe von 1870 hatte die Kammer in einem seit-
her schon oft bitter berenten Anfall von Großmut zwci
Millionen Gulden, allerdings nicht aus den Taschen
der Steuerpflichtigen, aber doch aus dem bayerischen
Milliardenantcil zu einer anständigen Ausstattung be-
willigt. Der Bau ward von Neureuther zu einer wahren
Mnsterleistnng in Bezug auf Zierlichkeit der Ausfüh-
rnng wie auf Anmut der Verhältniffe gestaltet, wie es
sich doch wohl für eine Kunstakademie von selbst ver-
steht, die Schüler aus allen Weltteilen an sich zieht
 
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