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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Pecht, Friedrich: Die Kunstpflege in Bayern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0152

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Die Kunstpflege in Bayern.

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werdm in ganz Bayern gegenwärtig, so viel mir be-
kannt, gar kcine monumentalen Malcrcien ausgeführt,
abgesehen von ein paar Bildern für die Rathauser in
Kempten und Landshut. Die Kirche aber ist entschieden
kunstfeindlich, sie befriedigt ihre Bedürfnisse in der
Mayerschen Kunst- oder vielmehr Fabrikanstalt. Der
Skulptur fallen nnter dicsen llmständen nur ab und zu
ein paar Aufträge auf Grabmonumente oder Büsten zu,
die Malerei aber ist auf die Schilderung unseres Volks-
lebens angewiesen und arbeitet meist für den Export.
Nur in der Architektnr, die neben privaten Luxusbauten,
neben Cafts nnd Gasthäusern, doch anch Kasernen,
Postämter, Bahnhöfe und besonders Schulen zu er-
richten hat, dabei aber leider meistens auf die Beihilfe
ihrer Schwestcrkünstc verzichtcn muß, herrscht Leben
und Bewegung; daneben blüht denn auch das Kunst-
gewerbe auf, da es von der neu erwachten Neigung
zu einem edlen Wohnungsluxus getragen wird.

Aber auch auf kunstgewerblichem Gebiete fügt uns
die bureaukratische Behandlung aller Kunstfragen die
empfindlichsten Nachteile zu. So wird die demnächst
stnttsindende bayerische Landesausstellung nicht in der
Landeshauptstadt München abgehalten. woselbst bisher
dank der glücklichen Lage und dem Nimbus, den Mün-
chen als Knnststadt hat, alle Ausstellungen ein ebenso
glänzendes sinanzielles wie ein die Talente aneifern-
des Resultat ergeben haben. Man verlegte sie viel-
mehr nach Nürnberg, wo fast alle Bedingungen zum
Gelingen einer solchcn Unternehmung fehlen, wo man
überdies das Gebäude, welches man in München schon
fertig dastehen hat, mit Aufwendung ungeheurer Sum-
men erst errichten mußte, und wo die Ausstellung vor-
aussichtlich nicht den vierten Teil der Besucher, nicht
den zehnten der Käufer sinden wird, die ihr in dem
heitern München unfehlbar zugestrvmt wären. Diese
nationalökonomische Ungeheuerlichkeit verdanken wir der
Mißgunst, mit welcher unsere Kammerhelden auf
München zu blicken Pflegen.

Was würden wohl die Franzosen sagen, wenn
ihre Regierung, um den dortigen Jntransigenten zu
schnieicheln, etwa eine Weltausstellung nach Lyon statt
nach Paris verlegen wollte? Herr von Pfeuffer hat
das indes bei uns fertig gebracht und ist dann auch
richtig dadurch belohnt worden, daß dieselben Nürn-
berger znm Dank sozial-demokratisch, die Münchener
aber ultramontan gewählt und veranlaßt haben, daß
er von seinem Pvsten abtreten mußte.

Eine gründliche Besserung nnserer zerfahrenen
Kunstzustände ist offenbar erst zu hosfen, wenn die
Nation selber den Schulmeisterzopf endlich mit dem
bureaukratischen zugleich abschneiden lernt. Das dürfte
aber nicht ohne die heftigsten Erschlltterungen abgehen,
die wir denn doch lieber nicht wünschen, sondern zu

vermeiden suchen sollten. Einstweilen sind wir ja noch
gar nicht einmal am Ende dieser falschen Richtung.

So lange die Pflege der Kunst und Kunstindustrie
nur eine Nebenbeschäftigung verschiedener Ministerien
bleibt, die denizufolge von Beamten besorgt wird, welche
sich vorher vielleicht nicht im mindesten um beide be-
kümmert haben, weder Jnteresse für sie noch Verständnis
für ihre Aufgaben besitzen, sehe ich nicht ein, wie das je
besser werden soll. Selbst wenn einmal, wie dies bei
unserem Kultusministerium wenigstens der Fall ist, sich
ein Referent findet, der Liebe zur Kunst und Einsicht
in ihr Wesen besitzt und sich bemüht, nach und nach
anch die durchaus notwendige Personalkenntnis zu er-
werben, so ist er in der Regel mit anderen Dingen
zu sehr überbürdet, hängt mit seinen Vorschlägen zn
sehr von dem mit ganz anderen Angelegenheiten und
anderen Jnteressen beschäftigten Minister und dieser
wieder zu sehr von den Ständen ab, als daß der gute
Wille zur That werden könnte. Die Stände aber sind
in ihrer Majoritüt stets geneigt, dem Minister, nur um
ihn zu Falle zu bringen, alle Mittel zu verweigern,
selbst wenn die höchsten Jnteressen des Landes dabei
aufs empfindlichste verletzt werden. Um dem nun aus-
zuweichen, verlangt der Minister lieber gleich gar nichts,
und so fällt denn der Kunst die angenehme Rolle des
Prügeljungen zu, der regelmäßig für die Sünden
anderer büßen muß.

Dieser trostlose Zustand wird voraussichtlich so
lange bestehen bleiben, als man nicht, wie es eben jetzt
in Frankreich geschehen, die Kunstangelegenheiten von
den übrigen Zweigen des Kultusministeriums abtrennt
und einem eigenen, in künstlerischen Dingen gründlich
erfahrenen Gencraldirektor überweist. Diesem könnte
man, um vor Willkürlichkeiten sicher zu sein, die Vorstände
der verschiedenen Kunstanstalten sowie sonstige Nota-
bilitäten unter Künstlern, Kunstgelehrten und Kennern
als beratendes Kollegium an die Seite setzen. Ein
solcher Direktor könnte dann auch als eine politisch
vollkommen neutrale Person die künstlerischen Jnteressen
vor den Ständen wirksamer verfechten, als es jetzt der
Fall ist, wo sie verschiedenen Ministerien unterstellt
sind, so daß von einer konsequenten und einheitlichen
Vertretung gar keine Rede sein kann, man vielmehr
sehr froh sein muß, wenn nicht der eine Minister das
gerade Gegenteil von dem thut, was der andere für
nützlich hält.

Eine Reform in diesem Sinne anzubahnen, ist
die höchste Zeit, wenn Bayern die tonaugebende Rolle,
die es eine Zeitlang im deutschen Kunstleben behauptet
hat und die seinen Stvlz ausmachte, nicht bald andercn
Staaten abtreten soll, bei denen die natürlichen Be-
dingungen für ein gesundes Kunstleben zwar minder
günstig liegen, deren Regierungen und Bolksvertreter
 
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