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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0177

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349

Kunstlitteratur u»d Kuusthandel.

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struktion des Werkes selbst und die völlig veränderten
Berkchrsverhältnissc.

Die sechs größeren, zu Berlin selbst gehörigen
Stationen, die etwa 20 Straßenllbergänge und die 7
Überführungen über Gewässer, darunter die ziemlich be-
deutcnde über den Humbvldthafen, smd aus Eisen anf-
geführt; teils in Form von Bögen, teils in horizon-
talen Lagen mit Zuhilfenahme eiserner Sänle». Jch
bezweifle, daß es eine Stadt giebt, in welcher das Wescn
und die ästhetische Wirkung der Eisenkonstruktion einem
so beständig vor Augen geführt werden, wie jetzt in
Berlin. Nutzlos wäre dcr Streit, ob diese Formen
„schön" sind oder nicht; ganz sicher wird das an
griechische Steinsäulen gewöhnte — durch dieselben
verwöhnte — Auge durch die rohrähnlichen Gebälk-
trägcr aus Eisen zunächst einsach bcleidigt; abcr eben
so sicher ist es, daß wir, weit davon entsernt dieses
Materials entraten zu können, es in Zukunst vermut-
lich in noch weit umfangreicherer Weise zu den Hoch-
bauten wcrden heranziehen müssen. Sehe ich recht, so
wird infotgedessen unser ästhetisches Gefühl sich eine
Wandlung gefallen lassen müssen; durch fortgesetzte
Gewvhnung wird unser Auge allgemach dahin gelangen,
das statisch ja völlig richtige Verhältnis dcr eiscrnen
Gebälkstützen und Gewölbespannungen auch „schön"
zu finden, und je häufiger uns dieser Anblick geboten
wird, desto schneller wird das statische Schönheitsideal
der Zukunft sich cinbürgern.

Wesentlicher und hoffentlich von epochemachender
Bedcntung ist die seit der Eröffnung der Stadt-
bahn vorauszusetzende bauliche Umwälzung Berlins.
Bisher wohnte man in Berlin im allgemeinen so
menschennnwürdig wie nur in irgend einer großen Stadt,
Paris, Neapcl und Wicn nicht ausgcschlossen, nnd
Berlin unterscheidet sich von dcn genannten Städten
dadurch noch unvorteilhast genug, daß auch der „gute
Mittelstand" noch mit Wohnungen fürlieb nehmen
mußte, welche Gesundhcit und Selbstgefühl schädigten.
Dies kann jetzt ohne Mühe anders werden. Dadurch
daß die Stadtbahn zuglcich den regelmäßigen Verkehr
etwa drei Meilen weit nach Osten und Westen und
mit allen Stationcn der Ringbnhn vcrmittclt, oder
dvch dcmnächst vcrmitteln wird, kvnnen die Berlincr
„Nomaden" — denn so müssen unserer Bevölke-
rung genannt werden — nun endlich ihr sestes Haus
so ziemlich an jeder beliebigen Stelle des Weichbildes
von Berlin und der Nachbarorte ausbauen. Dies ge-
schieht in der That: in einfachster, echt deutscher Weise
haben sich „Kvrporativgenossenschaften" gebildet,
welche den Ankauf von Bauterrain und die Herstellung
billigster, isolirter Einfamilienhäuser mit Garten
in die Hand nehmen. Nun scheint es mir ein ästheti-
sches Axiom zu sein, daß rechte Pflege der Kunst im

Hause erst da eintreten wird, wo der eigene Haus-
besitz dcr Faniilie die Verschöncrung nnd Veredlnng
ihres Hcims zur vollkommensten Pflicht mncht. Wie
soll denn eine geschmackvolle Dekorirung der Wohn-
räume möglich sein, wenn die ganze bewegliche Habe
alle zwei Jahre auf die Möbelwagen geladen und
anderen Räumen angepaßt werden soll? Wcnn sich,
was dringend zu wünschen wäre, diese Richlung auf
Jndividnalisirung der Wohnhäuser noch stärker aus-
bilden nnd den ganzen Kreis der Beamten, Lehrer, kleinen
Kaufleute, selbständigen Handwerker rc. erfassen solltc,
sv würden die von der Kunst inspirirten Handwerks-
meister: Tischler, Töpfer, Maler, Schlosser rc. in Zu-
kunft in höherem Grade anregende und lohnende Auf-
träge finden, und es würde sich in Bevölkerungsklassen,
welche das Wort „Kunst" kaum kenncn, allmählich
ein auf dem richtigsten und natürlichsten Gefühl basirter
Kunstinstinkt entwickeln. Daß das Fehlen geradc
des letzteren die Ursache so mancher Mängel unseres
Kunstlebens ist, haben wir schon mehrfach angedentet.
Wenn also die Stadtbahn, unterstützt von dem sich
immer mehr entwickclndcn Straßenbahnsystem, eine
Verbesserung der Berliner Wohnungsverhältnisse in dem
eben beschriebenen Sinne zur Folge hätte, so wäre der
Tag ihrer Eröffnung einer dcr wichtigsten Gedcnktage
sür die Geschichte Berlins.

Die großen aus Backsteinen aufgeführten Bögen
werden zu den verschiedensten Zwecken, mit Vorliebe aber
zu Gasthausanlagen verwendet, meist in „altdeutschem
Stil", wie man sich hier ausdrückt, indeni man alles,
was nicht Vvn vorgestern ist, sv nennt. Einen wirklich
schönen Komplex von Räumen haben die Architekten
Kayser und von Großheim aus fünf miteinander
verbnndenen Bögcn an der FriedrichSstraßc hergestellt;
durch Holzbekleidung der Wände im Stile der späteren
deutschen Renaissancc ist der „Franziskaner" zu einem
der behaglichsten nud besuchtesten Bierlvkalc der Stadt
gewvrden. B. Förster.

Aunstlitteratur uud Auusthaudel.

II. lt. Der Schatz -e§ Freiherrn Karl v. Nothschild.
Baron Karl v. Rothschild in Frankfurt a. M. besitzt einen
nur ivenigcn Auserwiihlten bekannten Schatz an Kunslwerken,
welcher, obgleich erst seit einem Menschenalter angelegt, sich
uach inateriellem wis idealem Werte doch schon mit den be-
rühmtesten Schatzkammern Europa's auf gleiche Stufe stellen
kann. Sein Hauptwert besteht in einer großen Sammlung
der seltensten und edelsten Arbsiten alter Goldschmiedekunst,
kirchlichen wie profanen Gebrauchs, der erlesensten Meister-
werke aus der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundcrt.
Rothschild wußte eben, da er bekanntlich über unbeschrünkte
Mittel gebietet, durch eine Anzahl von Agenten von über-
allher sich das Beste und Kostbarste zu verschaffen, selbst
solche Gegenstände, welche nach allgemeiner Annahme in
völlig festen Händen sich bsfanden, darunter z. B. auch fast
sümtlicheAlt-Nürnberger Srlberarbeiten, vondenenin früheren
Jahrgängen dieser Blätter gelegentlich die Rede gewesen ist.
Schon wiederholt wurde daher von Kunstgelehrten, Künst-
 
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