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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Wastler, Josef: Giulio Licinio, der Neffe Pordenone's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0184

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Giulio Licinio, der Neffe Pordenone's. Von Josef Wastler.

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Bon Augsburg kam Licinio als „kaiserlicher Hof-
kontrafecter und Maler" nach Wien. Nach den
Forschungen Schlagers wurde cr 1564 mit 20 Fl.
monatlicher Besoldung von Kaiser Max II. angestellt.
>565 bekommt er aus Gnaden 100 Fl., 1567 fiir
eine Abkonterfectnr Kaiser Mar 12 Tbaler nnd für
„ain Bisch", so er Kaiser Ferdinand I. gemalt hat,
15 Thaler. 1570 erhält er in Speyer bei einem von
Sr. Majestät gehaltenen Schießen 12Fl. fiir Malereien,
die er mit Gold und Farben auf die Gewinnste ge-
malt. 1573 werden ihm „zu Hülff seiner Zvrung in
Jtalia" aus besonderen Gnadcn 200 Fl. angewiesen.
1574 erhält er eine lebenslängliche jährliche Pension
von 100 Fl., im Jahre 1575 für etliche Contrafatura
und eine ausstendige Zörung, so er auf etlichen Reisen
für S. Majestät aufgewendet, 160 Fl. 1576 ist er
mit 20 Fl. monatlich angestellt. 1577 bleibt er unter
Kaiser Rudolf in seiner Anstellung. 1588 wird dem
Jnlins Licinius „kaiserlich. Majestät gevesten Hof-
maller" der siebenjährige Provisionsrückstand jährlicher
100 Fl., vom 1. Dezember 1581 zu rechnen, bezahlt.
1589 erhält er, „I. L. Röm. kaiserl. Majestät gevestcr
Hofmaller", wcgen seiner am Turm zu EberStorff ver-
richtetcn Arbeit 100 Fl.

Jn der Zwischenzeit war Licinio auch am her-
zoglichen Hofe in Graz thätig. Wir finden in dem
Ausgabenbuche Erzherzog Karls II., Herzogs von
Steiermark i), im Jahre 1575 die Notiz: „wegen eines
ihrer fürstl. Durchl. meiner gnedigsten Frawen gemachten
Conterfet 10 fl. den Julius Licinius." Licinius hat
außer diesem Porträt der Erzherzogin Maria für den
steirischen Herzogshof auch ein religiöses Gemälde
ausgeführt und zwar als Altarblatt für die Hofkapelle
in der Burg. Die Hofkapelle, welche sich in dem vom
Kaiser Friedrich IV. erbauten alten Trakte der Burg
befand, wurde mit diesem aus angeblicher Baufälligkeit
im Jahre 1854 demolirt und das Licinio'sche Altar-
bild war seither in Vergessenheit geraten. Jch fand
dasselbe vor zwei Jahren in einer aufgelassenen Kapelle
über dem Hoforatorium des Grazer Domes, noch mit
dem alten prächtigen Renaissancerahmen geschmückt, an
der Wand lehnen. Aus meine Anregung in einem
öffentlichen Blatte wurde das Bild aus dem Bersteck
herausgezogen, der Rahmen neu vergoldet, und es hängt
hente an der Wand des südlichen Seitenschiffes der
genannten Kirche. Es ist mit IZnIo Ineinins V. Iä
(Vsnstns tsvit) bezeichnet. Da die Augsburger Fresken
längst zerstört sind (nach Crowe und Cavalcaselle be-
finden sich auf einem Hause der Philippiner Welser-
straße Überreste von Tempera-Dekorationen: Pluto,
Venus und Janus darstellend, welche mit Ausnahme

Pluto's völlig neu, d. h. übermalt sind), so ist das
Grazer Bild um so interessanter, als es das einzige
signirte, also authentische Gemälde Licinio's in deutschen
Landen ist.

Das Gemälde stellt den „Leichnam Christi von
Engeln bedient" dar. Ein Engel hält den in die Knie
gesunkenen Leichnam, ihn unter den Armen stützend,
aufrecht, ein anderer, links, legt mitleidsvoll seine beiden
Hände auf die Hand des Heilands, während ein dritter,
rechts, weinend mit dem Leichentuche manipulirt. Das
Bild ist, mit den Meisterwerken des großen Pordenone
verglichen, ziemlich schwach, aber /s zeigt doch in jeder
Hinsicht den Schülcr des Meisters. Charakteristisch sind
zunächst die wuchtigen, athletischen Glieder der Engel,
eine Eigentümlichkeit aller Friauler, besonders Porde-
none's und seiner Schule. Der Körper Christi ist mit
Ausnahme der Beine ungemein mächtig und die drei
Engel haben Glieder wie für den Arenakampf berechnet,
während deren Gesichter die rosige Frische friaulischer
Alpenbewohner aufweisen. Nur der Kopf Christi,
stark in Schatten gehalten, ist von feinerer Bildung
und hat einen schmerzhaften, aber edlen Ausdruck. Es
scheint, daß der Künstler durch den Kontrast der blühen-
den üppigen Engel mit dem noch im Tode kummer-
vollen Ausdruck des Christuskopfes eine Steigerung des
Eindruckes beabsichtigte.

Die schöne Raumverteilung hat Giulio ebenfalls
von dem Meister gelernt. Wenn, wie es kaum mehr
bezweifelt wird, das berühmte Bild auf Monte di
Pietn in Treviso nicht von Giorgione, sondern von
Pordenone herrührt, so weist selbst der Vorwurf unseres
Grazer Bildes auf Pordenone's Schule hin, denn es
liegt nahe, daß Giulio nach dem Tode Pordenone's in
sremdem Lande sich an einem Gegenstande versuchte,
mit dem sein Lehrer und Meister so große Erfolge er-
rungen. Und ist auch die Gesamtanordnung anf
Giulio's Bilde eine andere, als auf dem von Treviso,
so zeigt dennoch die Dreizahl der Engel, und manches
Andere, z. B. daß der eine Engel den Körper Christi
stützt, der zweite dessen Hand hält und der dritte sich
mit dem Leichentuche beschäftigt, daß Giulio bei der
Konzeption seiner Arbeit die großartige Komposition
Pordenone's vorgeschwebt hat.

Fassen wir alles zusammen, so geht aus dem Ge-
sagten unzweideutig hervor, daß Giulio Licinio wirk-
lich ein Schüler Pordenone's war. Daß er um sehr
vieles schwächer war als der Meister, ist niemals be-
stritten worden; aber aus seinem Grazer Werke weht
nns nicht nur friaulische, sondern Pordenone'sche Luft
entgegen.

1) S. Emil Kümmel, Wiener Abendpost, 1879, Nr. 184.
 
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