Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

DOI Artikel:
Lützow, Carl von: Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0200

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
395

Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach.

396

„mag siezu diesem gesegnetenEntschluß veranlaßt haben".
Voll inniger Verehrung gedenkt cr des Vaters, er-
innert sich daran, wie dieser ihm, als er einmal in
der Kindheit todkrank am Typhus daniederlag, am
Bette sitzend tciglich „in sciner plastisch weichen Art
die Odyssee erzählte" und dadurch für alle Zeit Liebe
nnd Begeisternng zum Griechischen in seine Seele
pflanzte und hebt hervor, wie gut und in jeder Hin-
sicht „bildsam'h der edle Mann auf ihn eingewirkb
„Mein Vater hatte in seiner tiefen Liebe und in der
Erinnerung an die Vergangenheit eine Art von ge-
heiligter Rncksicht für seine Kinder"; die Pflege guter
Musik im Hause, tüchtiger Privatunterricht — in den
Lehrern zeichnet Feuerbach ein paar prächtige Charak-
terköpfe — gymnastische Bildung, Förderung oder doch
Duldung. einer gewissen Ungebundenheit in den späteren
Jahren: alles dies wird dem Vater verdankt, auch
die Elemente der künstlerischen Bildung. Als der
Vater 1840 von Jtalien heimkehrte, als „ein ziemlich
stiller Mann", brachte er „Münzen, Gipse und Stiche
nach Michelangelo mit. Diese und einige Mappen
der München-Schleißheimer Galerie legten das Funda-
ment für meine spätere künstlerische Richtung. Vor-
erst waren Rubens und van Dyck meine auser-
wählten Lieblinge". Daran knüpft Feuerbach eine Notiz
über das erste Auftreten seines künstlerischen Talents,
welche — namentlich da sich ähnliche Äußerungen ini
Verlaufe der Darstellung wiederholen — in der Art,
wie er sie vorbringt, für sein Wesen ungemein be-
zeichnend ist. Er sagt: „Die erste mir selber klar in
das Bewußtsein tretende künstlerische Gemütsbewegung
empfand ich als unnennbare Wonne, da ich cinen
lebensgroßen schlafenden Barbarossa zeichnete, hinter
ihm einen ernsten hochgeflügelten Engel, der mit er-
hobener Rechten Schweigen gebot, während ein paar
klcine Gcnicn niit Blasinstrumenten Lärni niachen
wollten" — nnd fügt hinzu, daß cr „von da an ge-
neigt war, bis auf einen gewissen Grad den Wert
seiner Arbeiten nach dem künstlerischen Glücksge-
fühl ihrer Entstehung zu messen".

Auch in der Plastik versuchte sich der zwölfjährige
Knabe schon und brachte u. a. eine Büste seines Vatcrs
zustande, welche in Gips abgegossen wurde. Jm fünf-
tcn Jahre der Gymnasialstudien regte sich der künst-
lerische Drang energisch; der Gymnnsiast wollte „nicht
mchr gut thun", und man entschloß sich, Zeichenproben
von ihm an die berühmten Lehrer der Düsseldorfer
Akademie zu schicken. Die einlaufenden Antworten
sind intcressant. C. F. Lessing schrieb: „Der junge
Mcnsch soll sein Gymnasium absolviren nnd dann
weiter sehcn". Schadow aber antwortete, „der junge
Fcnerbach könne nichts andereS werden alS Maler nnd
möge sogleich kommcn". Das gab den Ausschlag, d. h.

sür unsern Gymnasiasten; denn der Vater teilte Lessings
Meinung, wurde aber so lange geguält, bis er nach-
gab, und im Frühling 1845 im noch nicht vollendcten
16. Lebensjahre bezog Anselm die Düsseldorfer Akademie.

Die Schilderung der akademischen Lehrzeit in
Düsseldorf, München und Antwerpen macht keinen
günstigen Eindruck. Man weiß nicht, soll man die
Schuld daran mehr in dem Künstler oder in dem
mangelhaften Unterricht suchen: kurz die ersten sechs
Lehrjahre blieben ohne den gewünschten Erfolg; das
„Fnndament" zu seiner „künstlerischen Bildung" legte
Feuerbach erst in Paris, wie er selbst sagt. „Von dcn
srüheren Studienjahren darf ich wenigstens dic Hälfte
verloren geben". Man merkt es an dem scharfen
Ton der Aufzeichnungen aus jenen Jahren, daß der
junge Akademiker zu keinem seiner deutschen Lehrer
in das rechte, ersprießliche Schülerverhältnis trat und
auch den Mitstrebenden gleichgiltig oder abweisend
gegenüberstand. Seine Geburt und Erscheinung öffne-
ten ihm leicht alle Pforten. Aber schon damals, wie
später, fehlte ihm die volle Freude an der Geselligkeit;
er wich gern aus und verabschiedete sich, sobald er
konnte. Die Schilderungen der Persönlichkeiten, nament-
lich der Lehrer, entbehren denn auch selten der ätzend-
sten, oft an beißende Satire grenzenden Kritik; eincn
herzlichen Ton, wie bei den Charakteristiken von Eltern
und Verwandten, vernimmt man selten. So z. B., wenn
Schadows „hinreißende Liebenswürdigkeit", sein „durch
und durch aristokratisches Wesen" gerühmt und erzählt
wird, wie er abends „im Kreise seiner Angehörigen
und Freunde dasaß wie ein FUrst von seinem Hof-
staat umgeben". Aber die Kehrseite der Medaille
wird uns auch da nicht vorenthalten. Nachdem Feuer-
bach, unbefriedigt, sich von der Düsseldorfer Akademie
verabschiedet hat, sagt ihm Rethel über Schadow:
„Recht haben Sie gehabt, denn sehen Sie, der Altc
leidct manchmal an Kongestionen, die hält cr für
Gedanken". Solche Aussprüche und Urteile Dritter
enthält das Bnch cine ganze Anzahl. Am schlech-
testen unter den Münchener Lehrern kommt Schorn
weg, der sich „eben durch zwei über die Maßen häß-
liche Bilder, „Die Wiedertäufer" und „Die Sündflut"
berühmt gemncht hatte". Feuerbach ging zu Liesem
„richtigen Stammvater der Piloty-Schule" und brachte
ihm eine große mythologische Zeichnung. „Mit ver-
bindlichen Lächeln" sagte ihm Schorn: „Jch werde
Sorge tragen, daß Sie Gegenstände wählen, welche
gefallen und sichere Jhnen sofortigen Verkanf". Miß-
vergnügt wandte sich der junge Künstler ab — Auch
Rahls Bemühnngen ihm vorwärts zu helfen, fanden
keinen Boden: „Er ist lieb gegen mich (heißt es in einer
Briefstelle, S. 31) und giebt mir immer so gute Rat-
schläge, von denen ich nur wünschen möchte, Laß ich
 
Annotationen