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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Lützow, Carl von: Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0233

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Ein Vermächinis von Anselm Feuerbach

462

rechnet — nur eine öffentliche Ratifikation des Urteils
vollzogen worden, welches er selbst, Fenerbachs be-
geisterter Verehrer, Jahre Vvrher über ihn privatim
abgegeben hatte. Und was vollends den „Titancnsturz"
betrifft, so hat weder die öffentliche Meinung noch
irgend eine Behörde wegen des Fiasco's dieser Schöpfnng
irgend welchen Vorwnrf verdient: die Schuld trifft
einzig und allein den Künstler.

Jch will bei dieser Gelegenheit einen Pnnkt ins
Klare bringen, über den viel Müßiges und Unrich-
tiges verbreitet worden ift, und den auch das vor-
liegende Buch nicht in erwünschter Weise beleuchtet:
nämlich die Bestellung des malerischen Schmuckes für
die Decke der Aula der Wiener Akademiegebäudes.
Feucrbach hat hierfür ein ovales Mittclbild mit dem
„Titanenstnrz" und acht Nebenfeldcr, zwei größerc und
sechs kleincre, mit Einzelgestalten und Gruppen aus
der hellenischen Mythologie, projektirt. Man liest nnn
wiederholt, so z. B. auch auf S. 180 in den An-
mcrkungen zn unserem Buche, daß ein Teil dieser Bilder,
nämlich die Nebenfelder, vom österreichischen Kultus-
ministerium, welches die Bestellung des Ganzen ge-
macht, später „abgelehnt", die bereits in Anftrag ge-,
gebenen Gemälde nachträglich wieder abbestellt worden
seien. Schon bei einer früheren Gelegenheit, aus An-
laß der Feuerbach-Ausstellung in der Berliner Natio-
nalgalerie, wurde von uns auf die Unrichtigkeit dieser
Ausfassung hingewiesen. Da dieselbe sich trotzdem erhalten
und an der citirten Stelle des Buches wi ederum ihren
Ausdruck gefunden hat, so ist es geboten, den Sachver-
halt urkundlich sestzustellen. Auf meinen Wunsch hat
man im k. k. Ministerium für Kultus und Unter-
richt die Freundlichkeit gehabt, mich in dcn Gang der
mit Feuerbach seinerzeit über diese Sache gepflogenen
Unterhandlungen Einblick nehmen zu lassen, und ich
bin in der Lage, ans den Akten folgende Mitteilungen
zu machen. Gleich das erste Aktenstück ist von unzwei-
deutiger Klarheit; der damalige Unterrichtsminister
vr. v. Strcmayr sagt (Min.-Erlaß v. 4. Dez. 1854)
u. a.: „übcrtrage ich Ew. Wohlgeboren vorläufig die
Ausführnng der Titanomachie .... Was die Aus-
führung der übrigen Gemälde" (das sind die Seiten-
bilder) „betrifft, so werde ich erst nach allerhöchster
Entschließung in der Lage sein, eine definitive Ent-
scheidung zu treffen". Feuerbach nahm trotzdem, in
der Erwartung dieser Entscheidung, aus Gründen, die
er im Bnche uns angiebt, die kleinen Bilder in Angriff.
Daß er sich aber selbst darüber keineswegs im Un-
klaren befunden hat, dies geschehe ohne definitiven
Auftrag, läßt sich am besten aus einem Briefe ersehen,
welchen der Künstler nach Ablieferung der Titano-
machie, am 28. Mai 1879, an den Unterrichtsminister
schrieb; darin sagt er u. a.: „Es handelt sich nun

um die acht Seitenbilder .... cin offizicllcr Akt dicser
gnädigen Entschließnng ist mir jedoch bis jetzt nicht
zugekommen". Ans einen zweiten Briefe des Künst-
lers an den Minister, datirt vorr Venedig den 11. März
1870, resolvirte vr. v. Stremayr dann am 11. Juni
desselben Jahres das Folgendc: „Was die Herstellung
der übrigen acht Nebenbilder für die Decke des Saalcs
anbelangt, so erlanben mir die finanziellen Verhältnisse
nicht, in der nächsten Zeit hierfür einen Kredit in An-
spruch zu nehmen, weshalb ich vor dcr Hand nicht
in der Lage bin, Ew. Wohlgebvren in dieser Richtuug
eine Zusicherung zu geben vder einen bestimmtcn
Auftrag zn erteilen". Jch meine, bündiger kann
man sich nicht ausdrücken, und es darf nun wohl erwartet
werden, daß das Gerede vvn einer Zurücknahme
früher übernommener Verpflichtungen oder Abbc-
stellung bereits bestellter Bilder endlich einmal ver-
stummen, und daß man sich seitens der Angehvrigen
Feuerbachs beeilen werde, bei einer zu gewärtigenden
zweiten Auflage des Buches diese thatsächlichen Unrich-
tigkeiten zu befeitigen.

Bekanntlich hat man übrigcns in Wien, vbwvhl
der „Titanensturz" die von ihm gehegten Erwartungen
leider nicht erfüllte, die vier von dem Künstler hinter-
lassenen Seitenbilder (Promethcus, Venns, Uranos und
Gäa) inzwischen erworben und mit der Aussührung
der übrigen vier, zu denen Skizzen von Feuerbach vor-
liegen, einen seiner talentvollen Schüler, Tentschert,
beauftragt. Einen Teil der ziemlich bedeutenden Kosten
dieser Arbeiten trägt der Staat, den andcrn dic
Akademie, welche ihrem ehemaligen Professor damit
an würdiger Stätte das ehrenvollste Denkmal stiftet.
Aus den Seitenbildern — vor allem aus der groß-
artigen, hochpoetischen Gestalt der Gäa — leuchtet
des Meisters Genius in voller Pracht hervor; es sind
Schöpfungen eines durchaus eigenartigen, vornehmen
und ernsten Geistes. Die frescoartige Gesamtwirknng
wird sicher in stilgerechter Umrahmung einen bedeutenden
Eindruck nicht verfehlen. Wie man aber auch schließ-
lich über das Werk im Ganzen urteilen mag: so viel
steht jedensalls fest, daß die österreichischen Behörden
und Kunstanstalten sich um seine Vollendung redlich
bemüht haben, und daß das auch in Feuerbachs Bnch
wieder einmal mit der landesüblichen schlechten Laune
behandelte Wien schließlich denn doch die einzige Stadt
ist, welche sich einer umfassenden Schöpsung monumen-
taler Malerei großen Stils von Anselm Feucrbachs
Hand zu rühmen haben wird.

Earl v. Lützow.
 
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