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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Rosenberg, Adolf: Die heraldische Ausstellung in Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0240

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Die heraldische Ausstellung in Berlin.

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Großkomtur Peter von Lorch „diese Tafet" im Jahre
1388 in Elbing anfertigen ließ. Aus der Vorzüglich-
keit des Gusses und der feinen Ciselirung der zierlichen
Figuren im Jnnern des Diptychons sehen wir, daß
damals die Goldschmiedekunst in Elbing, was auch
anderweitig bezeugt ist, in hoher Blüte stand. Auf
der linken Seite des Jnnern sehen wir in Figuren,
die sich frei von dem Grunde ablösen, den gekreuzigten
Heiland, Maria und Johannes. Der Kreuzeshügel
ist mit grüner Schmelzmalerei überzogen, aus welcher
sich drei weiße Sternblümchen abheben. Auf der rechten
Seite sehen wir, wie auf der linken unter gotischen
Baldachinen, aber in zwei Reihen angeordnet, oben die
Madonna mit dem Kinde, den knieenden Hochmeister,
die heil. Barbara und Katharina, unten' von links
nach rechts die heil. Margaretha, Petrus, Paulus und
Elisabeth. Danach ist die Beschreibung in dem ersten
Artikel zu berichtigen. Auch in der Erwähnung des
silbernen Lutherbechers, der in der Mitte von einem
besonders gearbeiteten, fest zusammengenieteten Bande
in gotischer Ornamentik uwschlossen wird, ist auf
Grund des Katalogs insofern eine Unklarheit vorge-
kommen, als sich die Jnschrift mit der Jahreszahl 1570
natürlich nicht auf den Reformator, sondern auf einen
seiner Söhne, wahrscheinlich den kursächsischen Leibarzt
Paul Luther bezieht, welcher 1593 in Leipzig starb.
Mit ihm hat also Kursürst Joachim II. von Branden-
burg den Becher „wacker geleert". Derselbe war ein
Geschenk des Schwedenkönigs Gustav Wasa an dcn
Reformator, wie man aus folgender unten im Fuß
eingravirter Jnschrift schließen darf: 6u.st8.vu8 Rsx.
8VS. VL.U. VVL.H. 1536.

Jenem Joachim II. (1505—1571) gehörte auch
eine aus dem Zeughause herrührende Prachtrüstung
von lichtem Eisen an, welche auf das reichste mit
Figuren und Ornamenten geätzt ist. Auf den Ober-
schenkelschienen liest man das Monogramm ? v 8 und
die Jahreszahl 1560. Nach Forschungen des Herrn
Architektcn Gurlitt im königl. sächsischen Staatsarchiv,
über welche sich derselbe nähere Mitleilungen vorbe-
halten hat, bedeutet dieses Monogramm Peter von
Speyer. Es ist dies ein bisher in der Kunstgeschichte
noch nicht bekannter Plattner, welcher in Annaberg
thätig gewesen sein soll.

Unserer Ubersicht über die Goldschmiedearbeiten
haben wir noch die sogenannte Waldmannskette hinzuzu-
sügen, ein Prachtstück mittelalterlichen Schmucks, welches
sich —^ eine Seltenheit bei Schmucksachen — in voller
Ursprünglichkeit bis auf unsere Zeit erhalten hat. Sie
gehörte dem streitbaren Bürgermeister Hans Waldmann
von Zürich an, welcher durch seine Tapferkeit den
Sieg von Murten herbeiführte, später aber wegen seiner
Gewaltthätigkeit in einem Aufstande gefangen genom-

men und am 6. April 1489 enthauptet wurde. Auf
seinem Gange zum Schaffot schenkte er die Kette einem
Edlen von Keller, in dessen Geschlecht sie sich bis aus
den gegenwärtigen Besitzer, Herrn Rittmeister von Keller
in Berlin, vererbt hat. Die silbervergoldete Kette be-
steht aus zwei Teilen: aus einem goldgefranzten Stoff-
bande, auf welches die einzelnen Glieder, aus je zwei
Schnüren 8 lu Loräslibrs zusammengeflochten, von-
einander getrennt aufgenäht sind, und aus zwei langen,
mehrgliederigen Schließen, die ein schönes gotisches
Pflanzenornament darstellen. Von dem Schluß der
Kette hängt ein Medaillon mit dem Wappen Wald-
manns herab, welches drei Bäume ^— das Laub in
Email wiedergegeben — und als Helmzier einen wilden
Mann mit einem gleichfalls grün emaillirten Baum
in der Hand zeigt. Von großem Jnteresse würde
auch der sogenannte Erbachsche Schenkenbecher aus dem
Besitze des Prinzen Albrecht von Preußen sein, wenn
sich nicht gewisse Zweifel an seiner Authenticität geltend
machten. Der echte Becher befindet sich nämlich no.ch
heute auf Schloß Erbach in Heffen, während das
Exemplar des Prinzen Albrecht in Jtalien gekaust
worden ist. Es wäre also im günstigsten Falle eine
alte Kopie, die aber immerhin als solche noch inter-
effant ist, da der Körper des Bechers aus in vergoldetem
Silber montirtem Lrannrotem Achat besteht, während
der Henkel mit blapem Email dekorirt ist. Es ist ein
Doppelbecher, dessen Mundstücke so zusammengeschoben
werden kvnnen, daß die beiden alsdann ebenfalls zu-
sammentreffenden Henkel einen Bügel bilden. Das
Geschlecht der Grafen Erbach hatte bis 1806 das Erb-
schenkenamt bei den Kurfürsten von der Pfalz.

Jn der Gruppe, welche die Arbeiten aus Stein-
gut, Majolika, Fayence und Porzellan umfaßt, nimmt
das Tafelservice des Grafen Brühl, welches zum Fidei-
kommiß der Familie gehört, die erste Steüe ein. Es
besteht aus ca. 300 Stücken und wurde für den sächsi-
schen Minister in den Jahren 1736 bis 1740 in Meißen
angefertigt und zwar nur für diesen, da die Formen
nach der Vollendung der verschiedenen Stücke zer-
brochen wurden, so daß das Service auch hinsichtlich
der Fassons ein Unikum ist. Jedes Stück ist mit dem
Brühl-Kolowratschen Alliancewappen, einem Schwane
und einem fliegenden Reiher, dekorirt. Aus dem gräf-
lich Brühlschen Familienbesitz rühen auch vier Gobelins
mit Landschaften und Tieren her, welche zu einer
Serie von ca. 50 Stücken gehören, die Graf Brühl
um 1750 als Dank für die Erledigung einer Mission
von Ludwig XV. zum Geschenk erhalten hat.

Adolf Rosenberg.
 
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