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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Aus der Ausstellung der Entwürfe zum Viktor-Emanuel-Denkmal zu Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0256

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Aus der Ausstellung der Entwürfe zum Viktor-Emanuel-Denkmal für Rom.

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bogens vor Augen stellt. — Ebensowenig haben sich
die Künstler einer anderen Art von Monumenten,
der Ehrensäulen, von den antiken Vorbildern inspi-
riren lasien, welche die Stadt selbst in den Säulen
Trajans und Marc Aurels bietet. Es ist ja nicht
zu leugnen, daß auch bei diesen der wirkliche Ge-
nnß der plastischen Ausschmückung, der Reliefs> die
in Spiralen den Schaft der Säule umziehen, ein sehr
fraglicher, wenn nicht nnmöglicher ist, nnd im Alter-
tum kann es damit nicht besser bestellt gewesen sein,
denn die Behauptung, von ringsum laufenden Säulen-
hallen oder Gcbäuden das Reliefband mit seinen kleinen
Proportionen wirklich im Zusammenhange betrachten
zu können, fällt doch bei ernster Überlegung in sich
selbst zusammen. Bei den Viktor-Emanuel-Säulen
hat man sich nun auch nicht mit der spiralsörmigen
Anordnung der Reliefs begnügt, vielmehk begegnen wir
daneben horizontalen Reliefstreifen, Rampen und
Treppen, die das ganze Monument oft einem Pfropfen-
zieher nahe bringen, ja einmal stehen wir staunend
vor einer Säule aus eitel Fleisch nnd Blut: hundert
unbekleidete Frauengestalten, in wunderbaren Ber-
schlingungen auswärts gezogen, tragen hoch in den
Lüften die Statue des Königs!

Während hier diese fraglichen Leiber die hundert
Städte des Königreiches symbolisiren, ist in einem
anderen Projekt von ähnlicher Anlage der Gedanke
des allmählichen Wachsens Jtalicns durch einc ge-
fährliche Kletterdarstellung repräsentirt, die den Zu-
schauenden nur mit Schauder und Schrecken erfüllen
kann. Auf gesahrvollen Stufen und Felsenpfaden sehen
wir Menschen, Pferde, Genien, Viktorien und andere
Wesen aufwärts ziehen, die einen in idealen Ge-
wandungen, die anderen im modernsten Zeitkostüm,
natürlich fehlt die Elitetruppe der Bersaglieri nicht;
die glücklich auf die Spitze der Felsnadel Gelangten
tragen auf den Schultern die goldene Reiterstatue des
Königs. Unten aber, auf den Stufen des Postamentes,
lagern in bald mehr, bald weniger malerischen Attitü-
den die Vertreterinnen der Städte, eine lange Guir-
lande windend, wobei die schöne Repräsentantin Neapels
dem sie zärtlich anschaüenden Garibaldi ein Kußhänd-
chen zuwirft. Dem letzteren aber würde es, wie
Ouaglia bemerkt, sicher leichter werden, eine Schlacht
zu gewinnen, als jene unmöglichen Felsenstufen zu er-
klimmen. Weiß man doch oft kaum, wie es einem
der zahlreich angebrachten Krieger oder gar einem
Pferde gelnngen ist, den. ersten schwindelnden Absatz
des Monumentes zu ersteigen, geschweige denn, wie erst
der gefährliche Marsch bis zur Spitze enden wird; denn
einige dieser Monumente zeigen die respektable Höhe von
60 Metern. — Jm Ganzen weniger ausschweifend zeigt
sich die Phantasie der Künstler in der dritten Gruppe,

den als Tempel behandelten Monumenten. Alle For-
men sind hier versucht, Nachbildungen des Pantheon,
Mausoleen, Kirchen, Tabernakel u. a.. Durchschnittlich
leidet das Ensemble wie die einzelnen Teile an Über-
ladung in Formen und Farben. Das Projekt eines
Baues mit hnndert in Form und Farbe verschiedenen
Sänlen gehört doch nicht mehr unter die Werke der
Kunst. Und dazu noch ein verwirrendes Gewühl von
Menschen, Löwen, Adlern, Rossen, von Wappen und
Standarten und anderen Zuthaten. Quaglia hat
Recht, eine gewisse Sorte dieser Modelle als Muster
für Majolikafabriken zu bezeichnen. Jm Großen ist
aber doch in dieser Gruppe am meisten Befriedigendes
geleistet und nach Abzug gewisier Überladungen oder
nach Entfernung einzelner Mißgeburten würde sich hier
am ehesten Brauchbares und Erfreuliches sinden lassen.
Bemerkt sei noch, daß auch der gotische Stil seine
Vertretung gefunden hat, in Rom auch ein Gedanke! —
Jn der vierten Gruppe, der der Einzelstatuen, begegnen
wir neben manchem geschmackvoll Konzipirten gleich-
falls einer Reihe der unglaublichsten Projekte. Jst doch
unter den meist wild bewegten Pferden (die bisweilen
recht unästhetische Stellungen annehmen) keines, das
an die Kraft der Auffassung gemahnte, wie sie uns im
Colleoni-Denkmal in Benedig entgegentritt, dem unver-
gleichlichen Vorbilde für ein Reiterbild, wie es Viktor
Emanuel, dem Kraftvollen, geziemt. — Bei den übrigen
Gruppen bleibt uns meist wenig mehr als die schranken-
lose Phantasie zu bewundern, die sich oft mit Naivität
mehr als mit Kühnheit an Probleme wagt, deren Aus-
führung von vornherein in das Gebiet der Fabel oder
der bloßen Wünsche gehört, welche letzteren leider oft
weniger fromm als frevelhaft erscheinen. Nach diesen
Projekten würde in wenigen Jahren allerdings ein
„neues" Rom entstanden sein; dennschonungsloser könnte
auf dem geheiligten Boden der Stadt kaum aufge-
räumt werden, als durch dies kühn projektirte Einreißen
und Durchbrechen ganzer Straßen und Häuserkomplepe,
um recht weite, recht langweilige, recht moderne Per-
spektiven zu schaffen, wie z. B. vom Quirinal guer
über das Marsfeld am Pantheon vorbei zum Janiculus,
oder wie die Anlage eines neuen Forums an Stelle
der alten Kaiserfora, oder die Wiederholung des Palazzo
di Venezia mit samt seinem dicken Turm an Stelle
des Palazzo Torlonia, nur um einen Platz für ein
Denkmal erst zu schaffen, oder wie endlich das wenig-
stens kuori Is rnura verlegte Projekt eines ganzen
neuen Stadtquartiers mit Königspalast und Regierungs-
gebäuden auf den Wiesengründen hinter der Engelsburg.
Und, last Isast:, wie die Besucher des Ausstellungs»
gebäudes- so mögen sich unsere geduldigen Leser zum
Schlusie an einem Phantasiegebilde ergötzen, vor dem
die Kritik einfach Halt machen muß: es ist ein Mauso-
 
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