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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Brun, Carl: Zur Erinnerung an Friedrich Weber, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0265

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Zur Erinnerung an Friedrich Weber.

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ich nun empfindlich zu fühlen." — Diese Erklärung
des Mißerfolges, findel die beste Jllustration durch die
späteren Werke des Meisters und den Vergleich der-
selben mit den Arbeiten Forsters. Stellen wir z. B.
das Porträt eines jnngen Manncs nach Raffael von
Weber (1864) dem Stiche Forsters gegenüber! Forster
läßt hier im Vergleiche zu Wcber kalt, seine Behand-
lung ist eine mehr strenge und konventionelle, wahrend
diejenige Webers frei von aller Manier erscheint und
sich durchaus den malerischen Jntentionen Raffaels
unterordnet.

Dasjenige Blatt, welches von allen seinen Stichen
den größten Erfvlg gehabt hat, ist die Elisabeth Vvn
Franz Winterhalter, mit dem Weber in JnterlaRn
Lurch die Vermittelung des Malers Kirner von München
bekannt geworden war. Der Stich entstand 1856, in
einem Äahre, an das Weber in verschiedener Hin-
sicht gern zurück dachte. Aus der Bekanntschaft mit
Winterhalter war innige Freundschaft geworden, jeden
Sonnabend trafen sich die beiden in seinem Hause,
wo ein anregender Zirkel stattfand, an dem Musiker,
Künstler und Gelehrte teilnahmen. Namen wie Otto
Mündler, Goldschmidt und Knaus lassen ahnen, wie
manches gcwichtige Wort in diesem Kreise gesprvchen
wurde. 1857 sah sich Weber genötigt, mit seiner Fran,
die der Erholung bedurfte, und der vom Arzt ein See-
bad verschrieben war, einen sechswöchentlichen Aufent-
halt in Benzeville in der Normandie zu nehmen. Er
pflegte sich immer, wenn er auf Reisen ging, Arbeit
mitzunehmen, und so that er auch diesmal. Er fertigte
dort als Pendant zum Euler das Porträt des Baseler
Jngenieurs Fritz Stehlin, mit dem cr persönlich
befreundet gewesen war. So entstand bei der nötigen
Sorgfalt, an der es Weber ja nie fehlen ließ, ein
gutes Bildnis, was in den Fällen, wo er die Züge
von Männern zu fixiren hatte, mit dcnen er wenig
oder gar nicht bekannt gewcsen war, nicht immer gesagt
werden kann. Jn diese Kategorie gehören die Bild-
nisse von Speiser, I. Riggenbach und Geigy (1857,
1860 und 1866), welche mit dem Oberst Hans Wieland
(1865), Bnrkhardt-Preiswerk (1874) und Prvf. Vischer
(1875). eine interessante Galerie von Baseler Nota-
bilitäten bilden. Nicht viel ersrenlicher als diese Auf-
träge war eine Bestellung von Bruckmann in München,
die er ebenfalls noch in Paris erhielt. Es handelte
sich um eine Ausgabe dcr Gocthe'schen Frauengestaltcn,
für welche Weber zwei Blättcr nach Kaulbach, „Her-
mann und Dorothea" und „Fnust und Helena" zu
stcchen bckam. Das crstere Blatt cntstand 1857, das
zweite bcreits in Basel, 1861.

Wir wenden uns nun dem letzten Lebensabschnitte
Webers zu, das heißt derjenigen Zeit zu, in welcher er,
in voller Kraft und Schaffenslust stehend, auf der

Höhe sciner Kunst angelangt, seinc Meisterwerke schuf.
Er hatte im Auslande cine Summe vvn Erfahrungen
gesammelt, die ihn in den Stand setztcn, es mit jedem
Fachgenossen anfzunchmcn, und ihn berechtigten, sich
an die schwersten Probleme zu wagcn. Der Sehn-
sucht nach der Heimat folgend, siedelte er im August
1859 definitiv in dieselbe über und bezog mit seiner
kleincn Familie das unweit Basel idyllisch gelegene
Klybeck-Schlößchen. Die erste größere Arbeit, die er
dort Vvllcndete, war der prachtvolle Profilkopf der
Kaiscrin Eugenie von Franz Winterhalter (1862). Jm
Jahre 1864 erhielt er denAuftrag, das Porträt des Her-
zogs von Hamilton und dasjenige der Fllrstin Korsakoff
auszuführcn, beide gleichfalls nnch Bildern von Winter-
halter, 1865 die Aufgabe, die Bella Visconti aus der
Sammlung Rvthpletz in Aarau zu stechen. Vvr allem
aber faßle er alS Hauptziel die Wiedergabe dcr welt-
bcrühmten Gemälde Vvn Holbein in der Galerie seincr
Vaterstadt ins Auge. Schvn in Paris hatte er Ge-
legenheit gehabt, den großen deutschen Meister kennen
und würdigen zu lernen. Durch den täglichen Anblick
des Erasmus, des Canterbury und der An na von Cleve
war ihm bald klar geworden, daß Holbein einer der
grvßtcn Porträtmaler aller Zeiten sci, und von dicser
Erkcnntnis zu der Versuchnng, seine Werke zu verviel-
fältigen, war nur ein Schritt. Bereits in früheren
Jahren, 1847, gab er seincr Begeistcrung Ausdruck
indem er das Selbstporträt Holbeins stach. Zwischen
dicscm Blattc und der berühmtcn Lais Corinthiaca,
welche 1865 vollendet wurde, liegen also beinahe zwei
Jahrzehnte, ein Zcitraum, in dem sich der künstlcrische
Entwickelungsprozeß des Meisters vollzog. Die Zeich-
nung zur Lais trägt allcrdings das Datum 1851.
Auf die Lais folgte 1873 der Bonifazius Amerbach
— die Zeichnung ist von 1869 — und 1878 der Eras-
mns von Rotlcrdam. Jn diescn Blättern hat sich Weber
selbst llbertroffen, und seine Kunst ist auf dem Gipfel
angelangt. Die Kritik war einstimmig in ihrem Lobe; es
sei hier nur an das Botum desjenigen Mannes erinnert,
der in Hvlbeinfragen am kompetentesten ist: an das
Vvtum, welchcö dcr vcrstorbcne Alfred Woltmann einst
über die Lais in diesen Blättern abgegeben hat. ')
Neben Holbein war ein Liebling Webers der Lom-
barde Bernardino Luini. Auf einer Reise nach Ober-
italien nnd Mailand hatte er mit Bewunderung vor
seinem großen Passionsbilde in Lugano und dem herr-
lichen Madonnenbilde von 1530 gestanden; letzteres
nahm ihn dermaßen ein, daß er sofort an Ort und
Stelle die vorbereitende Zcichnung für dcn Stich ans-
führte. Jch stehe nicht an, zu erklären, daß dieser
Stich, der im Frühjahr 1870 in Paris Vvllendct wurde,

1) Vgl. Jahrg. II, S. 81, 138 u. ff.
 
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