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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Fabriczy, Cornelius von: Neuerwerbungen des Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0288

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Neuerwerbungen des Louvre.

durch die sich ein Fluß schlängelt, mit vielen kleinen,
meisterhcift hmskizzirten Figuren. Sollte dies etwa
das Porträt des Familienhauptes Giovanni Tornabuoni
gewesen sein?

Der Zustand, in dem sich diese Werke befinden,
läßt leider viel zu wünschen übrig. Die Hintergründe
sind fast ganz verschwunden, der Faltenwurf und das
Kolorit haben sehr gelitten, was erklärlich ist, wenn
man bedenkt, daß die Fresken schon ursprünglich gerade
in ihren feineren Partien in Tempera retouchirt
waren, die natürlich bei der Entfernung der Tünche
an dieser haften blieb. Doch ist noch genug übrig,
um nicht nur den allgemeinen Stilcharakter Botticelli's
unzweiselhaft festzustellen (wie dies denn Milanesi in
seiner Vasari-Ausgabe auch gethan), sondern auch in den
Details die charakteristischen Formen des Meisters
wiederznerkennen. Jnsbesondere der Ausdruck der
Köpfe bei den allegorischen Figuren, die feinen Fvrmen
der Extremitäten und die lustige Behandlung der Ge-
Wänder sind untrngliche Zeichen seiner Autorschaft.
Obgleich mit großer Leichtigkeit auf die Wand hinge-
worfen und mehr in dekorativer Manier gehalten, so
daß sich in der Zeichnung hier und da Mängel sühl-
bar machen, mußten sie ursprünglich doch mit großer
Sorgfalt ausgefllhrt gewcsen sein, wie dies z. B. dic
Überreste der Vergoldung an Schmuck und Gewand-
mustern beweisen. Leider sind die Feinheiten der Aus-
führung nur mehr an wenigen Stellen zu konstatiren,
an anderen die Farben Vvllig zerstört.

Eine zweite Erwerbung, die der Abteilung der
Renaissance-Skulpturen einen neuen Schatz zuführt, ist
die Grabplatte Jeans de Cromvis, Abtes von
St. Jaques zu Lüttich, unter dessen Regierung (1504—
1525) die Wiederherstellung der Kirche und des Klvsters
erfolgte, und der vor dem Hochaltar jener begraben
wurde. Der Wert dieses Werkes ist ein um so größerer,
als bekanntlich Werke der Ptastik aus der Zeit dcr
flandrischen Renaissance nicht eben häusig sind, und
insbesondere Grabplatten fast ausschließlich in Metall
hergestellt und dann nicht plastisch, sondern mit einge-
grabener Zeichnung geschmückt wurden. Unser Mvnu-
ment hingegen besteht aus einer Platte von schwarzem
Marmor, auf der die lebensgroße Gestalt des Toten mit
Mitra und Kreuz, das Haupt auf einem Kissen ruhend,
in Flachrelief dargestellt ist. Um den Toten ist eine
von Pilastern und Arkadenbogen umschlossene Nischen-
architektur angeordnet, deren Gliederungen mit zart-
gearbeitetem Rankenornament geschmückt sind. Ebenso
sind Mitra und Kreuz, sowie die Stickereien des Pluvials
mit äußerst fein skulptirten Ornamenten bedeckt. Die
Zwickelfelder über dem Arkadenbogen füllen zwei Engel-
gestalten, von Rankenwerk umschlossen. Die Pilaster-
Postamente tragen den Namen und das Todesjahr

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(1525) des Abtes, während eine um den Rand der
Platte herumlausende Jnschrist in weitlänfiger Weise
seine Vorzüge hervorhebt. Eine genaue Beschreibung
und Abbildnng des Werkes findet sich im Bulletin der
archäologischen Gesellschaft von Lüttich, Bd. VII, Ja hr-
gang 1863.

Ein drittes Skulpturwerk endlich, welches ans der
Sammlung Tiinbal als Bermächtnis deni Louvre
zufiel, hat an und sür sich weniger absoluten Kunst-
wert, ersetzt diesen jedoch durch sein kunstgeschichtliches
Jnteresse. Das Ganze bildete wohl ehemals einen
Altaraufsatz, wie das im Hauptfelde besindliche Behält-
nis für die Hostie beweist. Dieses enthält nämlich,
von kanellirten Pilastern und einem arabeskirten Ge-
bälke umschlossen, eine Reliefdarstellnng des von
zwei Engeln halb aus dem Grabe gehobenen Leich-
nams Christi, zu dem sich rcchts nnd links je ein
Heiliger mit cineni Buche in der Hand, schmerzvoll
hinwendet, alles Halbsiguren. 2n der Lnnctte, die das
Gebälk umspannt, sehen wir die Halbfigur des segnen-
den Gottvnters, rechts nnd links deren zwei kleine an-
betende Engel in ganzer Gestalt. Der Ilrsprung des
Werkes läßt sich nicht znrückverfolgen, da ein früherer
Besitzer es von einem Pariser Kunsthändler erwarb.
Der Charakter des Figürlichen indes läßt keinen
Zweifel darüber, daß wir es mit einem Werke nord-
italienischer Skulptur nnd zwar speziell jcner Kunst-
richtung zu thun haben, die im wesentlichen von Dona-
tello's paduanischen Werken und dem antikisirenden
Stil Mantegna's ausgehend, sich doch auch manche
Züge der frühesten Periode Giov. Bellini's angeeignet
hat, und als deren Repräsentanten auf dem Gebiete der
Malerei wir die vicentinischen und veroneser Maler
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die Speranza,
Buonconsiglio, Montagna, Bnonsignori, Benaglio
u. a. m. zu betrachten haben. Es ist das Verdienst
Conrajod's, des jetzigen Konservators der Renaissance-
skulpturen am Louvre, nicht blos auf die Stilverwandt-
schaft unseres Reliefs mit den Werken dieser Maler
hingewiesen, sondern in dem Altaranfsatz der Cap.
Poli im rechten Seitenschiff von S. Lorenzo zu
Vicenza ein demselben auss engste verwandtes Bild-
werk nachgewiesen zu haben. Ja, die Jdentität des
Gegenstandes, neben der auffallenden Ahnlichkeit der
stilistischen Behandlung, veranlaßt ihn, für beide Skulp-
turen ein gemeinsames Vorbild in einer Ler in dieser
wie überhaupt in der lombardischen Schule besonders
häufigen Pietndarstellungen, sowie die Provenienz aus
einem und demselben Atelier anzunehmen. Jn der
That finden wir in beiden Reliefs eine bis aus einzelne
architektonische und dekorative Motive sich erstreckende
Jdentität der Komposition und Formenbehandlung,
welche beide mehr den Stempel des aus zweiter Hand
 
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