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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Rosenberg, Adolf: Die Konkurrenzentwürfe für das deutsche Reichstagsgebäude, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0304

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Die Konkurrenzentwürfe für das deutschs Reichstagsgebäude.

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gisch, nicht persönlich interessirt oder Uberhaupt objektiver
sind. Man kann sich also mit leichter Mühe die unge-
sährlichsten unter den Konkurrenten heraussuchen. Wir
heben nvch einmal ausdrücklich hervor, daß diese Be-
merkungen ganz allgemeiner Natur sind und sich nicht
etwa auf die Konkurrenz um das Reichstagsgebäude
beziehen sollen. Wir wollten nur im allgemeinen auf
die Zufälligkeiten hinweiscn, welchen die Entscheidung
in Konkurrenzen unterworfen ist.

Jn unserem Falle werden wir vor einem letzten
Urteil erst das defirntive Resultat abwarten mUssen, in-
wieweit Wallot, falls ihm die Bauausführung über-
tragen wird, seine Selbständigkeit wahren, und ob
man dann seinen Namen als den des Erbauers des
deutschen Reichstagsgebäudes zu nennen haben wird, oder
ob man diese Ehre einem anonymen Konsortium von
Regierungsbaumeistern und Privatarchitekten übertragen
muß, von denen die letzteren den ersteren „schätzbares
Material" geliefert haben.

Die Zahl der ausgestellten Entwürfe beträgt 189.
Die prämiirten und die angekausten sind mit den Namen
ihrer Urheber bezeichnet, die ersteren sogar mit Lor--
beerkränzen in drei verschiedenen Größen je nach der
Qualität der Preise dekorirt worden. Die übrigen
sind natürlich anonym geblieben. Man wird aber
nnschwer herauserkennen, daß sich unter diesen, nicht
prännirten, die Arbeiten von vielen unserer tüchtigsten
und erfolgreichsten Architekten befinden. Wir nennen
nur die Namen Bohnstedt, Orth, Mylius und
Bluntschli, Kyllmann und Heyden, Ebe und
Benda. Auch zwei Bildhauer, Reinhold Begas und
Martin Paul Ottv, haben sich an der Konkurrenz be-
teiligt. Begas hntte außer den programmmäßigen Plänen
zugleich ein plastisches Modell seines Entwurfes einge-
sendet, welches jedoch als nicht Programmmäßig von
der öffentlichen Ausstellung ausgeschlossen wurde, wes-
halb sich der Künstler genötigt sah, es indem Ausstellungs-
lokale des Bereins Berliner Künstler unterzubringen.

Jm allgemeinen macht man die erfreuliche Beob-
achtung, daß die Mehrzahl der Entwürfe aus einem
ungleich höheren Niveau steht, als es durch die Kon-
kurrenz von 1872 repräsentirt wurde. Das letzte
Jahrzehnt hat innerhalb der deutschen Baukunst denn
doch einen Um- und Aufschwung bewirkt, der auch für
die Zukunft zu den besten Hosfnungen berechtigt. Man
findet zwar viel Mittclgnt, aber doch wenig absolut
Schlechtes, und man empfindet deutlich, daß die Kon-
kurrirenden mit Ernst uud Eifer an ihre Aufgabe heran-
gegangen sind. Zugleich legt die Konkurrenz ein voll-
gültiges Zeugnis für die Thatsache ab, daß der Sieg
der Renaissance auf der ganzen Linie entschieden ist.
Der Hellenismus im Sinne der Schinkelschen Schule
ist ganz in den Hintergrund geschoben wvrden und

die Gotik ist nur durch sechs Entwürfe vertreten. Berlin
ist eben eine durch und durch moderne Stadt, in
welcher die mittelalterliche Tradition so gut wie ganz
erloschen ist. Ein gotischer Parlamentsbau würde sich
in dieser Umgebung fremdartig genug ausnehmen. Zu-
dem nötigte die Rücksicht auf die übrigen am Königs-
platz liegenden Gebäude, insbesondere auf das des
Generalstabes, so kläglich dasselbe auch ist, zur Wahl
der Renaissance. Es kann auffallend erscheinen, daß
nur von sehr wenigen der konkurrirenden Architekten
die deutsche Renaissance gewählt worden ist. Jn-
dessen mag davon die Notwendigkeit von Rauman-
lagen abgehalten haben, die sich bei den immerhin
beschränkten Raumbedürfnissen der deutschen Renaissance,
selbst in Rathäusern und Schlössern, nur schwer mit
diesem Stile vereinigen lassen. Man mag demselben
auch keine monumentale Wirkung, wie sie für die
kolossalen Dimensionen des Königsplatzes notwendig
ist, zutrauen. Endlich hat sich fast allen Architekten
die Überzeugung von der Notwendigkeit einer das
Ganze beherrschenden Kuppel aufgedrängt, und dieses
Kuppelmotiv ist durchweg für die Gestaltung des
Grundrisses maßgebend gewesen. Die Entwürfe scheiden
sich demnach in zwei Gruppen. Während die einen
den Sitzungssaal als den Hauptraum des ganzen Ge-
bäudes unter die Kuppel verlegt haben, ist der Raum
unter der Kuppel von anderen als Foyer oder Pro-
menadenraum gedacht worden, an den sich dann der
seitlich belegene Sitzungssaal anschließt. Die erstere
Gruppe zerfällt wieder in zwei Unterabteilungen, deren
eine die Kuppel in das Centrum der Anlage gestellt hat,
während die andere die Kuppel in der Mittelachse mehr
nach Osten geschoben hat. Zu der zweiten Abteilung
dieser Gruppe gehört der Entwurf von Paul Wallot,
welcher also allein ernstlich ins Auge zu fassen ist.
Nur hat Wallot keine Kuppel gewählt, sondern einen
viereckigen Aufbau mit vier triumphbogenartigen, mit
Skulpturen geschmückten Fenstern. Dieser Aufbau,
welcher an den des Brüsseler Justizpalastes erinnert,
ist noch von einer Laterne gekrönt, und an seinen vier
Ecken erheben sich vier Obelisken von jener Form, wie
sie die deutsche Renaissance als Giebelschmuck anzu-
wenden liebte. Das Motiv des mittleren Aufbaues
wiederholt sich an den vier Ecken des Gebäudes in
Form von kleineren pavillonartigen Aufbauten von
halber Stockwerkshöhe, von denen nur einer eine prak-
tische Verwendung als Aktenrepositorium erhalten soll,
während die anderen einen rein dekorativen Zweck
haben. Der Eifer, mit welchem Wallot diese vier Auf-
bauten in seinen Erläuterungen verteidigt, läßt ver-
muten, daß hier der wunde Punkt seines Entwurfes
zu suchen ist. Und in der That kann man den Ab-
schluß einer Ecke durch ein steifes Viereck nicht gerade
 
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