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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Wittmer, Gustav: Die innere Einrichtung der neuen Bildergalerie zu Kassel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0306

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Die innere Einrichtung der neuen Bildergalerie zu Kafsel.

Generation, welche den Bau in seinem ursprünglichen
Zustand zu sehen keine Möglichkeit mehr hatte, nun
nicht bedachte, wie vordem hier alles so ganz anders
gewesen war. So bemerkte man an der Wiederein-
richtung nur das Unzusammcnhängende und defekt Ge-
wordene. Mir aber, der ich aus frllhester Jugend
noch eine Erinnerung der alten Galerie bewahre, ist
der Eindruck davon unvergeßlich. Das mag auch
fremden Besuchern ähnlich ergangen sein, wenn sie, von
den Akademiezimmery herkommend, den imposanten Saal
betraten. Wie wohlthuend war sogleich dem Auge
das hoch von oben auf glänzendes Parkett herabfließende
Licht; wie angenehm fühlte man sich von dieser Abge-
schiedenheit umsangen, bei deren Stille die Sprache
der Kunst um so vernehmlicher wurde. Hier flimmerte
es von Gold an Wänden und Plafond, Kronleuchter
von Bergkrystall warfen vielfarbigcn Widerscheiu auf
die reichskulptirten Bilderrahnien. An den Thllren standen
japanische Porzellanvasen von nahezu halber Manns-
höhe, über die hinweg bis zur Decke hinaus Spiegel-
wände den Saal von gedoppelter Länge erscheinen ließen".

Da jedoch dieser alte Zustand schwerlich wieder-
herzustellen gewesen wäre, und zudem in anderen Sälen
die Beleuchtung der Bilder eine mangelhafte war, so
mußte zu einem Neubau geschritten werden. Ein be-
sonderer, mit diesem verbundener Vorteil bestand außer-
dem noch darin, daß die alten Lokalitäten der Galerie
nunmehr der königl. Akademie der bildenden Künste über-
wiesen werden konnten. Der von Dehn-Rothfelser
entworfene Plan erhielt im Jahre 1872 die vollständige
Genehmigung, und bald danach ward unter Verwendung
des Materials der alten Kattenburg zur Ausführung
desselben geschritteu. Für die allgemeine Anorduung
des Gebäudes hat am meisten die ältere Pinakothek in
München als Borbild gedient; jenes besteht demgemäß
aus einem langgestreckten Mittelbau, welcher im Haupt-
stockwerk eine Reihe von Oberlichtsälen, an der Hinter-
seite eine Reihe von Seitenlichtkabinetten, an der Vorder-
seite eine Loggia enthält, und aus zwei Eckpavillons, die
aber, breiter und weniger vvrspringend als in Miincheu,
eine mehr quadratische Form erhalten haben. Letztere
Einrichtung bietet insofern Vorteile, als dadurch in den
Kabinetten des Mittelbaues störende Reflexlichter ver-
mieden werden. Die Größe des Gebäudes ist danach
bemessen worden, daß die Gemälderäume in demselben
um die Hälfte mehr gut beleuchtete Bilderwandfläche
bieten, als in den früheren Galerieräumen überhaupt
mit Gemälden behangene Wandfläche vorhanden war.
Es wurde hierdurch neben der Rücksicht auf eine mög-
liche Vergrößerung der Sammlung der Vorteil erlangt,
daß in allen Räumen des Neubaues die Gemälde viel
weniger dicht aneiuander gehängt zu werden brauchten.
Ein auch äußerlich hervortretender höherer Aufbau der

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Oberlichtsäle, wie an der Münchener Pinakothek, wurde
vermieden, weil die zu sehr gesteigerte Höhe der dorti-
gen Oberlichtsäle nicht günstig für die Beleuchtung ist.
Das Außere wird hauptsächlich charakterisirt durch die
Loggia des Hauptgeschosses, deren els mächtige Rund-
bogenfenster durch jonische Halbsäulen voneinander ge-
trennt sind. Als wesentlicher Grundsatz ist im übrigen
die Regel festgehalten, daß kein Gemälderaum mehr
als ein eiuziges Fenster erhalten hat.

Es ist hier nicht unsere Absicht, eine detaillirte
Beschreibung des Gebäudes und seines von Hassen-
pflug, Echtermeyer, Brandt und Merkel ausge-
sührten bildnerischen Schmuckes zu geben, vielmehr soll
die Aufmerksamkeit des Lesers nur aus einzelne, haupt-
sächlich dem Zweck des Gebäudes selbst dienende
Momente hingelenkt werden.

Wie die Aussührung des Gebäudes in allen wesent-
lichen Teilen eine vorzügliche ist — nur die kleinen
gedrückten Giebel der Eckpavillons können Bedenken
erregen — so ist besonders die so wichtige Beleuchtungs-
frage in bester Weise gelöst. Jn fast allen Räumen ver-
breitet sich die Lichtfülle, mag sie von oben oder von
der Seite einfallen, in gleichmäßiger Weise über denjenigen
Teil der Wandflächen, welchen die Bilder einnehmen,
und zerstreut sich nicht, wie man das anderwärts so
oft sindet, zwecklos umher. Nachstehende Mitteilungen,
die wir einer vom Erbauer, Herrn von Dehn-Rotfelser,
gegebenen ausführlichen Beschreibung des Gebäudes
entnehmen, dürsten daher von allgemeinerem Jnteresse
sein. Für die Beleuchtung aller Gemälderäume haben
die von dem im Somnier 1877 in Berlin verstorbenen
Prof. Eduard Magnus schon vor längerer Zeit ver-
öffentlichten Grundsütze und Vorschriften zur wesent-
lichsten Richtung gedient, und es ist das Kasseler
Galeriegebäude der erste derartige Bau, bei dem diese
Regeln vollständig befolgt worden sind. Für die Be-
leuchtung der Oberlichtsäle haben die Magnusschen
Vorschläge, abgesehen von der genau abgewogenen
Höhenlage und Breite der mit mattem Glas überdeckten
Lichtöffnungen, besonders zu der Anordnung geführt,
daß die aus großen Hohlglastafeln gebildeten Dach-
fenster nicht gerade über den Lichtöffnungen in der
Decke liegen, sondern weit genug seitwärts überstehen,
um der Bilderzone bis zu ihrem obern Rande volles
direktes Licht durch das matte Glas zuzuführen. Um
hierbei der nur nachteiligen vorzugsweisen Erhellung des
Fußbodens noch mehr entgegenzuwirken, ist ein breiter
Streifen der Dachfläche gerade über den Lichtöffnungen
undurchsichtig gehalten, so daß volles Licht nur seit-
wärts in der Richtung auf die Bilderwände einfallen
kann. Aber auch auf die Farbenbehandlung der Gemälde-
räume sind die Magnusschen Angaben, deren Richtig-
keit namentlich durch die Beobachtungen in den neuen
 
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