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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Brun, Carl: Die schweizerische Kunstausstellung von 1882
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0352

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Die schweizerische Kunstausstellung von 1882.

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Rechten sitzt, während das zur Linken steht und einen
Reif in der Hand hält. Die Kinder, sämtlich n I'nn-
glaiss koiffirt, find treffend im Ausdruck und korrekt
in der Zeichnung. Ferner seien die Porträts von
Fräulein Massip in Genf genannt, welche ein ernstes
Streben und ein nicht gewöhnliches Können verraten.
Das Bildnis von Julius Luz aus Bern ist vielen
schon vom Pariser Salon her bekannt; es liefert von
neuem den Beweis, wie unmalerisch unsere moderne
Hcrrentracht ist. Nvch muß hier ein Studienkosif von
Diethelm Meier in München gerühmt werden. Der-
selbe ist on kuos genommen, von üppigen, roten Haaren
umgeben und gehört einem gesunden Bauernmädchen an.

Am besten sind auch diesmal wieder das Genre
und die Landschaft vertreten. Wir fassen zunächst
ersteres ins Auge. Jnteresiant, aber etwas extra-
vagant ist „Der schlafende Pan" von Preiswerk in
Basel, ein Bild, das in die Kategorie des mythologi-
schen Genre's fällt. Der Gott liegt der Länge nach
ausgestreckt unter einem Baume in Morpheus' Armen.
Das Haupt des nicht gerade lieblichen, braunen, stark-
behaarten Menschen mit Bocksfüßen erscheint im Prosil.
Jn der Rechten hält cr die aus Schilfrohr angefertigte
Syrinx, die Linke ist unsichtbar. Der blaue Himmel,
von dem sich die Scene klar abhebt, strömt behagliche
Sommerwärmc aus. Umgeben ist Pan vvn schweben-
den und spielenden Amoretten mit blauen, weißen und
rotcn Flügeln. Zwei derselben sind im Begriffe, sich
ihm zu nähern. Der eine hat es sich im Grünen
behaglich gemacht, stützt den Kopf auf die Rechte und
schaut den Waldmenschen fragend an, der andere blickt
auf seinen Kameraden nieder und weist mit der Hand
auf Pan hin. Preiöwerk ist cin entschiedencs Talent,
dem es vor allen Dingen nicht an Phantasie sehlt.
Ein Schülcr Böcklins, verticft er sich gern in dessen
Märchenideen. Den poetischen Dust und Zauber, der
den Werken seines Lehrers den eigentümlichen Reiz
verleiht, vermißt man allerdings bei ihm. Ganz an
Böcklin crinncrn anf seincm schr ansprechenden Bilde
die schwebenden Amoretten im Hintergrunde; sie ge-
mahnen an ein vom Grafen Schack refüsirtes Gemälde,
welchcs sich heutc im Bcsitzc dcs Bildhaucrs Kops in
Rom besindet. Eine andere Komposition von Preis-
wcrk: „Die Mittagsruhe des Arbeiters", macht eincn
gewöhnlichcn Eindruck und ist nur deshalb aufzufllhren,
weil sie das Bestreben des Künstlers zeigt, sich von der
Weise Böcklins zu emanzipircn. Ebenfalls aus der Schule
BLcklins hervorgegangen ist Hans Sandrenter in
Basel. Eine Schar kleiner Mädchen, die Hände ge-
faltct, tcils anf-, teils nicderschcnd, verrichten in dcr
Sakristei einer Kirche ihr Gebet. Dcr Psarrer ist zur
Kinderlehre noch nicht erschienen und wird einstweilen
durch den Sigristen ersetzt. Die Farbe des Bildes ist

nicht schlecht, die Zeichnung aber sehr hölzern. Jn
Bezug auf die Komposition möchte man fragen, warum
Sandreuter die Scene so Passiv auffaßte. Er würde
viel lebendiger gewirkt haben, hätte er uns einen Ein-
blick in die Seelen der Kleinen während des llnter-
richts gewährt. Grob in München schildert uns cinen
Sonntag auf der Alp. Ein Senner, im Profil gesehen,
hat sich in das mit blauen, gelben und roten Blumen
durchsäete Gras gelegt nnd liest in der Bibel. Jm
Hintergrunde türmen sich die Schneeriesen und Eis-
firnen auf. Die Hauptfigur ist korrekt gezeichnet, der
Hund jedoch, welcher neben dem Sennen liegt, läßt
manches zu wünschen übrig; erst nach und nach gelingt
es, seine Formen zu verstehen. Jn der Farbe ist Grob,
wie immer, frisch und gesund. Vigier in Solothurn hatte
zwei Bilder ausgestellt. Das eine, ein Bauernmädchen,
übergehen wir. Verweilen wir einen Augenblick bei dem
andern: „Der erste Ritt!" Ein krästiger blonder Bube,
von vorne gesehen, nur mit einem Hemde bekleidet, reitet
auf einem Ochsen und hält in der Rechten einen Zweig.
Der junge Mann in blauer Bluse neben ihm mit dcn
schwarzen Haaren ist offenbar sein Vater. Der Kopf
desselben erscheint im Prosil, sein Körper sn taos. Zur
Linken ein kleines Mädchen. Die Situation spielt vor
einem Solothurner Bauernhause mit Strvhdach. Die
Mutter des Knaben, eine hübsche Blondine, steht freude-
strahlend da, neben ihr sitzt ein alter Mann, die Pfeifc
rauchend, wohl der Großpapa. Gedacht ist dies anmutige
Familienbild gut, leider bleibt aber die Ausführung
weit hinter der Jdee zurück. Die Figuren sind steif
und mangelhaft gezeichnet, Lesonders der Knabe auf dem
Stiere. An Kompositionstalent dagegen fehlt es Vigier
nicht. Von Viktor Tobler war ein Gemälve da:
„Sonntag Nachmittag" genannt. An der Wirtschaft
zum Hirschen, wo sich glcichzeitig die Postablage des
Dorfes besindct, ziehen drei schmnckc Baucrndirncn
Vvrüber. Zwei dersclben tragen ihre Strohhüte auf
dem Kopfe, die eine hat ihn in der Hand; alle drei
sind mit Sträußen versehen. Vor ihnen her geht ein
kleines Mädchen mit einem Knaben. Jn der Haus-
thüre der Wirtschaft eine Frau und ein Jüngling.
Letzterer hält ein volleS Glas in der Rechten nnd ist
im Begriff, dem einen der Mädchen zuzutrinken, seine
Blicke begegnen den ihrigen. Jm Hintergrunde ge-
wahren wir eine Gruppe von Männern im Zwiege-
spräch. Wie in den meisten Bildern, die den Sonn-
tag verherrlichen, thut sich auch in demjenigen von
Tobler cine bedenkliche Langcweile nnd Prosa kund.
Um gewissen Vorwürfen gerecht zu werden, muß man
eben ein Dichter von Gottes Gnaden sein, wie Defregger,
Vautier und Knaus. Wem es nicht gegebcn ist, das
Volksleben von der poetischen Seite aufzufassen, der
sollte sich andere Themata suchen. „Der witlkommene
 
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