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Sammlungen und Ausstellungen. — Vom Kunstmarkt. — Vermischtes.
510
Armen einen mächtigen goldenen Kranz tragen. Die
dekorativen Teile, z. B. die Reiher an der Brunnenwandung,
die wasserspeienden Frösche sind von jener humorvollen
Grazie, die uns so oft in Taschner's Schöpfungen entzückt.
Das Ganze, in seinem wohlberechneten Zusammenklang
von Stein und Bronze, erhebt sich erfreulich über die in
Bayern stets bedenklich retrospektiv gefärbte Monotonie
unserer monumentalen Produktion. Nun wird es den
Weg alles Ateliergerümpels gehen. Reichenhall aber kann
sich freuen, ein echtes Exempel von der Freiheit künst-
lerischen Schaffens für seinen Rathausplatz zu erhalten.
H.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Brügge. Über die Ausstellung altniederländischer
Malerei in Brügge, welche mehr als 400 Gemälde umfasst,
plant der Sekretär der Veranstaltung, Herr C. Tulpinck,
eine reich illustrierte Publikation. Es war ein glücklicher
Gedanke, eine grössere Anzahl dieser »Primitiven« zu-
sammen zu führen, um Anhaltspunkte zur Lösung wichtiger
kunsthistorischer Fragen zu gewinnen. Der grossen Energie
des Komitees ist zu danken, dass man das zerstreute Licht,
das von den einzelnen Tafeln ausgeht, hier wie in einen
Brennpunkt sammeln kann, und durch stetige Vergleichung
verwandter Darstellungen die charakteristischen Merkmale
viel rascher und deutlicher zu sondern und herauszuheben
vermag, als dies auf den Kreuz- und Querzügen einer
Studienreise möglich ist. Der allgemeine summarische
Katalog umfasst bereits gegen 400 Nummern, es strömen
aber noch immer Kunstwerke hinzu. Die Leitung der
Ausstellung ist auch besorgt gewesen, ein von Herrn
James Weale verfasstes beschreibendes Verzeichnis der
Gemälde zu veröffentlichen, dessen erster Teil bis Nr. 170
gehend in der Ausstellung erhältlich ist. Für diejenigen
Besucher, die mit den einzelnen Meistern der Schule
weniger vertraut sind, hat Herr A.J. Wauters eine nach
Gruppen geordnete Übersicht gegeben, die das Verhältnis
der Hauptmeister klar legt und die Fülle der Erscheinungen
ordnet. Ohne einen solchen Leitfaden wird es für unbe-
wanderte Besucher der Ausstellung schwierig sein, die
einzelnen Merkwürdigkeiten so miteinander zu verknüpfen,
dass ein tieferes Interesse wachgerufen wird. Wir er-
fahren aus dieser Übersicht, dass man sich — leider ver-
geblich — bemüht hat, den Genter Altar wieder einmal
zusammen zu führen. Wer da weiss, wie difficil die alten
Holztafelbilder sich gegen Bewegungen und Wechsel der
Temperatur, des Feuchtigkeitsgehalts der Luft u. s. w. ver-
halten, wird die Bedenken der Verwaltungen, die dem
Vorhaben entgegen standen, zu würdigen wissen. Vierzehn
Museen, drei Hospitäler, zehn Kirchen und eine grosse
Zahl Privatsammlungen haben bei dieser Leihausstellung
ihre Schätze preisgegeben; unter den Privatsammlern zählt
man sechs deutsche, die des Herzogs von Anhalt, des
Fürsten Radziwill, des Barons Oppenheim, des Geheimrats
Kauffmann, des Konsuls Weber, die Sammlung Hainauer;
zwölf englische Sammlungen, vier österreichische, acht
französische und drei belgische haben Beiträge gespendet.
Unter den Bildern vermisst man etwas schmerzlich den
Merodealtar des Meisters von Flemalle, der ebenso wie
der antike Diskuswerfer im Palazzo Lanzelotti leider den
Augen der wissenschaftlichen Welt entzogen wird. In-
mitten der schimmernden Versammlung strahlt das Licht
Van Eyck's nur um so lebhafter. Geradezu glänzend
ist die reiche Zahl von Memlings, wohl gegen dreissig
Stück, der wie seine Vorbilder Van Eyck und Rogier sich
in grösstem und kleinstem Format mit gleicher Meister-
schaft bewegt. Sehr anziehend sind auch die ausdrucks-
vollen Tafeln Gerard Davids, dessen lebendige Anmut
neben der etwas trockenen Vortragsweise des Dirck Bouts
offenbar wird. Über die Werke, welche Rogier, David,
H. van der Goes, Mabuse, Mostaert zuzuteilen sind, wird
an der Hand der nebeneinander gestellten Proben manches
wichtige Detail zu gewinnen sein. Die anonymen Meister
vom Tode Mariä, der weiblichen Halbfiguren, von Oultremont
und andere erscheinen mit mehreren Bildern und heischen
aufs neue Enträtselung. Neben einigen frappanten Porträts
des Quinten Massys findet man phantastische Werke des
tollen Hieronymus Bosch, einige derbe, aber feinfarbige
Bilder des älteren Breughel und endlich einen ganzen Saal
mit Gemälden von P. Pourbus. Auch M. Broederlam, Gerard
v. d. Meire, Lancelot Blondeel, Marinus van Romerswaele
und andere Spezialitäten treten in diesen gediegenen Variete
grundsolider Meister auf, die uns ihre Zeit und Denkungs-
weise als scharfe sichere Gegenwart empfinden lassen.
Angesichts einer so glänzenden Versammlung schmucker
Meisterleistungen wird der Betrachter bei wechselndem
Genüsse ein lebhaftes Gefühl der Dankbarkeit nicht nur
gegen die Veranstalter, sondern auch gegen die hoch-
herzigen Sammlungsvorstände und Kunstfreunde hegen,
weil diese es über sich vermocht haben, sich auf längere
Zeit von ihrem Besitz zu trennen und sie den Fährlich-
keiten einer Ausstellungsfahrt auszusetzen. Wir hoffen
später noch über die Ergebnisse der Ausstellung berichten
zu können.
Das Budget der Modernen Galerie in Wien, über
die wir schon mehrfach berichtet haben, wird dem öster-
reichischen Landtage wie folgt vorgeschlagen: 60000 Kr.
zahlt jährlich der Staat, 30000 Kr. die Gemeinde Wien
und 20000 Kr. das Land Niederösterreich. Aus diesen
Beträgen sollen die Ankäufe gedeckt werden, bei denen
die verschiedenen Künstlergruppen verhältnismässig be-
rücksichtigt werden sollen, also jede staatliche Approbation
einer Richtung zu vermeiden ist. Der Direktor wird vom
Staat ernannt, dem ein Kuratorium zur Seite steht. An-
kaufsvorschläge macht der Direktor oder jedes Mitglied
des Kuratoriums.
VOM KUNSTMARKT
In London wurde neulich Benjamin Constant's
Nachlass versteigert. Der Erfolg war überraschend gering.
Für 119 Stücke sind im ganzen kaum mehr als 40000 M.
gelöst worden. Die grossen Bilder gingen durchschnittlich
mit 1000 bis 1500 M. weg, die Skizzen und Studien mit
30 bis 900 Mark.
Londoner Auktionspreise. Bei Christie: Porträt
einer sitzenden alten Frau mit gekreuzten Händen, Brust-
bild, 31 Zoll zu 26 Zoll von Rembrandt brachte 118250 M.
Ferner erzielten: Velazquez, Der Traubenverkäufer 53750;
Turner, Dunstanborough Castle 17630; ein Porträt
Eduard's VI., in schwarzem Kleid und Hut, 34400; Van
Dyck's Waller der Dichter 17200; Thomas Howard, Earl
of Arundel und sein Enkel 10320; Madonna, das Jesuskind
nährend, frühe flämische Schule, 18705; Herzog von
Buckingham, Holbein zugeschrieben, 11610; Boilly, Kinder
in einem Wagen, von einem Hund gezogen 7310 M.
VERMISCHTES
Morgan im Berliner Museum. Der Simson unter
den Kunstsammlern hat kürzlich Berlin besucht und ist
dabei, einer Einladung des Direktors der Gemäldegalerie
folgend, auch im alten Museum gewesen. Irgend eine
boshafte und unwahre Zwischenbemerkung, die über diesen
Vorfall in der »Zukunft« zu lesen stand, hat zu einer be-
richtigenden Äusserung des Direktors Bode geführt, und
bei dieser Gelegenheit erfährt man, dass der Berliner
Sammlungen und Ausstellungen. — Vom Kunstmarkt. — Vermischtes.
510
Armen einen mächtigen goldenen Kranz tragen. Die
dekorativen Teile, z. B. die Reiher an der Brunnenwandung,
die wasserspeienden Frösche sind von jener humorvollen
Grazie, die uns so oft in Taschner's Schöpfungen entzückt.
Das Ganze, in seinem wohlberechneten Zusammenklang
von Stein und Bronze, erhebt sich erfreulich über die in
Bayern stets bedenklich retrospektiv gefärbte Monotonie
unserer monumentalen Produktion. Nun wird es den
Weg alles Ateliergerümpels gehen. Reichenhall aber kann
sich freuen, ein echtes Exempel von der Freiheit künst-
lerischen Schaffens für seinen Rathausplatz zu erhalten.
H.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Brügge. Über die Ausstellung altniederländischer
Malerei in Brügge, welche mehr als 400 Gemälde umfasst,
plant der Sekretär der Veranstaltung, Herr C. Tulpinck,
eine reich illustrierte Publikation. Es war ein glücklicher
Gedanke, eine grössere Anzahl dieser »Primitiven« zu-
sammen zu führen, um Anhaltspunkte zur Lösung wichtiger
kunsthistorischer Fragen zu gewinnen. Der grossen Energie
des Komitees ist zu danken, dass man das zerstreute Licht,
das von den einzelnen Tafeln ausgeht, hier wie in einen
Brennpunkt sammeln kann, und durch stetige Vergleichung
verwandter Darstellungen die charakteristischen Merkmale
viel rascher und deutlicher zu sondern und herauszuheben
vermag, als dies auf den Kreuz- und Querzügen einer
Studienreise möglich ist. Der allgemeine summarische
Katalog umfasst bereits gegen 400 Nummern, es strömen
aber noch immer Kunstwerke hinzu. Die Leitung der
Ausstellung ist auch besorgt gewesen, ein von Herrn
James Weale verfasstes beschreibendes Verzeichnis der
Gemälde zu veröffentlichen, dessen erster Teil bis Nr. 170
gehend in der Ausstellung erhältlich ist. Für diejenigen
Besucher, die mit den einzelnen Meistern der Schule
weniger vertraut sind, hat Herr A.J. Wauters eine nach
Gruppen geordnete Übersicht gegeben, die das Verhältnis
der Hauptmeister klar legt und die Fülle der Erscheinungen
ordnet. Ohne einen solchen Leitfaden wird es für unbe-
wanderte Besucher der Ausstellung schwierig sein, die
einzelnen Merkwürdigkeiten so miteinander zu verknüpfen,
dass ein tieferes Interesse wachgerufen wird. Wir er-
fahren aus dieser Übersicht, dass man sich — leider ver-
geblich — bemüht hat, den Genter Altar wieder einmal
zusammen zu führen. Wer da weiss, wie difficil die alten
Holztafelbilder sich gegen Bewegungen und Wechsel der
Temperatur, des Feuchtigkeitsgehalts der Luft u. s. w. ver-
halten, wird die Bedenken der Verwaltungen, die dem
Vorhaben entgegen standen, zu würdigen wissen. Vierzehn
Museen, drei Hospitäler, zehn Kirchen und eine grosse
Zahl Privatsammlungen haben bei dieser Leihausstellung
ihre Schätze preisgegeben; unter den Privatsammlern zählt
man sechs deutsche, die des Herzogs von Anhalt, des
Fürsten Radziwill, des Barons Oppenheim, des Geheimrats
Kauffmann, des Konsuls Weber, die Sammlung Hainauer;
zwölf englische Sammlungen, vier österreichische, acht
französische und drei belgische haben Beiträge gespendet.
Unter den Bildern vermisst man etwas schmerzlich den
Merodealtar des Meisters von Flemalle, der ebenso wie
der antike Diskuswerfer im Palazzo Lanzelotti leider den
Augen der wissenschaftlichen Welt entzogen wird. In-
mitten der schimmernden Versammlung strahlt das Licht
Van Eyck's nur um so lebhafter. Geradezu glänzend
ist die reiche Zahl von Memlings, wohl gegen dreissig
Stück, der wie seine Vorbilder Van Eyck und Rogier sich
in grösstem und kleinstem Format mit gleicher Meister-
schaft bewegt. Sehr anziehend sind auch die ausdrucks-
vollen Tafeln Gerard Davids, dessen lebendige Anmut
neben der etwas trockenen Vortragsweise des Dirck Bouts
offenbar wird. Über die Werke, welche Rogier, David,
H. van der Goes, Mabuse, Mostaert zuzuteilen sind, wird
an der Hand der nebeneinander gestellten Proben manches
wichtige Detail zu gewinnen sein. Die anonymen Meister
vom Tode Mariä, der weiblichen Halbfiguren, von Oultremont
und andere erscheinen mit mehreren Bildern und heischen
aufs neue Enträtselung. Neben einigen frappanten Porträts
des Quinten Massys findet man phantastische Werke des
tollen Hieronymus Bosch, einige derbe, aber feinfarbige
Bilder des älteren Breughel und endlich einen ganzen Saal
mit Gemälden von P. Pourbus. Auch M. Broederlam, Gerard
v. d. Meire, Lancelot Blondeel, Marinus van Romerswaele
und andere Spezialitäten treten in diesen gediegenen Variete
grundsolider Meister auf, die uns ihre Zeit und Denkungs-
weise als scharfe sichere Gegenwart empfinden lassen.
Angesichts einer so glänzenden Versammlung schmucker
Meisterleistungen wird der Betrachter bei wechselndem
Genüsse ein lebhaftes Gefühl der Dankbarkeit nicht nur
gegen die Veranstalter, sondern auch gegen die hoch-
herzigen Sammlungsvorstände und Kunstfreunde hegen,
weil diese es über sich vermocht haben, sich auf längere
Zeit von ihrem Besitz zu trennen und sie den Fährlich-
keiten einer Ausstellungsfahrt auszusetzen. Wir hoffen
später noch über die Ergebnisse der Ausstellung berichten
zu können.
Das Budget der Modernen Galerie in Wien, über
die wir schon mehrfach berichtet haben, wird dem öster-
reichischen Landtage wie folgt vorgeschlagen: 60000 Kr.
zahlt jährlich der Staat, 30000 Kr. die Gemeinde Wien
und 20000 Kr. das Land Niederösterreich. Aus diesen
Beträgen sollen die Ankäufe gedeckt werden, bei denen
die verschiedenen Künstlergruppen verhältnismässig be-
rücksichtigt werden sollen, also jede staatliche Approbation
einer Richtung zu vermeiden ist. Der Direktor wird vom
Staat ernannt, dem ein Kuratorium zur Seite steht. An-
kaufsvorschläge macht der Direktor oder jedes Mitglied
des Kuratoriums.
VOM KUNSTMARKT
In London wurde neulich Benjamin Constant's
Nachlass versteigert. Der Erfolg war überraschend gering.
Für 119 Stücke sind im ganzen kaum mehr als 40000 M.
gelöst worden. Die grossen Bilder gingen durchschnittlich
mit 1000 bis 1500 M. weg, die Skizzen und Studien mit
30 bis 900 Mark.
Londoner Auktionspreise. Bei Christie: Porträt
einer sitzenden alten Frau mit gekreuzten Händen, Brust-
bild, 31 Zoll zu 26 Zoll von Rembrandt brachte 118250 M.
Ferner erzielten: Velazquez, Der Traubenverkäufer 53750;
Turner, Dunstanborough Castle 17630; ein Porträt
Eduard's VI., in schwarzem Kleid und Hut, 34400; Van
Dyck's Waller der Dichter 17200; Thomas Howard, Earl
of Arundel und sein Enkel 10320; Madonna, das Jesuskind
nährend, frühe flämische Schule, 18705; Herzog von
Buckingham, Holbein zugeschrieben, 11610; Boilly, Kinder
in einem Wagen, von einem Hund gezogen 7310 M.
VERMISCHTES
Morgan im Berliner Museum. Der Simson unter
den Kunstsammlern hat kürzlich Berlin besucht und ist
dabei, einer Einladung des Direktors der Gemäldegalerie
folgend, auch im alten Museum gewesen. Irgend eine
boshafte und unwahre Zwischenbemerkung, die über diesen
Vorfall in der »Zukunft« zu lesen stand, hat zu einer be-
richtigenden Äusserung des Direktors Bode geführt, und
bei dieser Gelegenheit erfährt man, dass der Berliner