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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 15 (1. Maiheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0175

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werden. Es ist nichts zerbrechlicher im Menschen als seine Bescheidenheit
und sein Wohltvollen; wenn soviele Hände an dieses zerbrechliche zarte
Ding tappen, was wunder, wenn es zu schanden geht? Wenn mich je das
Unglück oder Glück träfe, sehr berühmt zu werden (und das ist in sofern
möglich, als man es jezt wohl werden kann nnd wird, ohne es zu ver-
dienen), wenn mir dieses je passirt, so seyen Sie mit Jhrer Freundschaft
gegen mich vorsichtiger. Lesen Sie alsdann meine Schriften, und lassen
den Menschen übrigens laufen. (An Lotte 25. 2. (789-)

*

Ueberhaupt kommt mir vor — und das mag sreilich ein eigen-
nütziger Wunsch unsers Geschlechts seyn — mir kommt vor, daß die Frauen-
zimmer geschaffen sind, die liebe heitre Sonne auf dieser Menschenwelt
nachzuahmen, und ihr eigenes und unser Leben durch milde Sonnenblicke
zu erheitern. Wir stürmen und regnen und schneyen und machen Wind,
Jhr Geschlecht soll die Wolken zerstreuen, die wir auf Gottes Erde zusammen
getrieben haben, den Schnee schmelzen, und die Welt durch ihren Glanz
wieder verjüngen. Sie wißen was für große Dinge ich von der Sonne
halte; das Gleichniß ist also das Schönste, was ich von Jhrem Geschlechte
nur habe sagen können, und ich hab es auf Unkosten des meinigen gethan!

(An Lotte 27. st. j788.)

-i-

Sie wissen, glaube ich, oder Sie wissen es nicht, dass der weibliche
Karakter zu meiner Glückseligkeit so nothwendig ist. Meine schönsten Stunden
danke ich doch Jhrem Geschlecht — wenn ich besonders noch die Musen
dazu rechne, die nicht umsonst Frauenzimmer sind. Selbst die Venus Ilrnnia.
ist ja ein Weib, und ihre irdischen Töchter sind da, uns bey ihr einzu--
führen. Hier haben mich alle Götter und Göttinnen der Schönheit ver-
lassen, denn die grimmige Gesichter der Gelehrten verscheuchen alles, was
Freiheit und Freude athmet. Kommen Sie ja bald zurück, kommen Sie
mich wieder zum Menschen zu machen, zum Dichter — das ist vorbey.
Uebrigens tröstet mich das, daß Sie doch etwas von mir haben und lesen
können, was aus einer glücklichern Epoche meines Geistes sich herschreibt.
Es sind Funken der Glut, die Sie beide mir gegeben haben, und die jetzt
wieder erloschen sind, da Jhr Athem sie nicht mehr belebt.

(An Lotte 2§. 7. (789.)

*

Diß ift der erste Tag, den ich ohne Sie lebe. Gestern habe ich doch
Jhr Haus gesehen und Eine Luft mit Jhnen geathmet. Jch kann mir nicht
einbilden, daß alle diese schönen seelenvollen Abende, die ich bei Jhnen
genoß, dahin sein sollen; dass ich nicht mehr wie diesen Sommer, meine
Papiere weglege, Feierabend mache, und nun hingehe mit Jhnen mein
Leben zu geniessen. Nein, ich kann und dars es mir nicht denken, dass
Meilen zwischen uns sind. Alles ist mir hier fremd geworden; um Jnteresse
an den Dingen zu schöpfen, muß man das Herz dazu mitbringen, und mein
Herz lebt unter Jhnen. Jch scheine mir hier ein abgerissnes Wesen; in der
Folge, glaube ich wohl, werden mir einige meiner hiesigen Verbindungen
wieder lieb werden, aber meine besten Augenblicke, fürchte ich, werden doch
diejenigen seyn, wo ich mich des schönen Traums von diesem Sommer
erinnere, und Plane für den nächstfolgenden mache. Jch fürchte es;
denn Wehmuth wird sich immer in diese Empsindung mischen, und glücklich

(38 Runstwart XVIII, (5
 
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