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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 15 (1. Maiheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0211

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teren Aesten fort. Und es äußert
sich auch in dieser Hinkehr, Schiller
weniger als Dichter und desto mehr
als große, starke, gediehene Per-
sönlichkeit zu fassen und begreislich
zu machen. Die Bücher aber, die
ihn so erläutern, gehören zu denen,
die uns als notwendige gelten müssen.
Anch aus der Schillerschen Seele
heraus, wenn wir an des Dichters
Wort in der Ankündigung seiner
„Rheinischen Thalia" denken: „Den
Schriftsteller überhüpfe die
Nachwelt, der nicht mehr war,
als seine Werke!"

Eine Sturzslut von Schillerlitera-
tur, wie sie die Festära von s859 er-
lebte, hat uns die neue Feier ganz
und gar nicht gebracht. Noch nicht
einmal eine leidlich große Woge.
Vielleicht ist das schon ein Zeichen
eines allgemeiner verbreiteten Ge-
fühls, daß es heute auf etwas ganz
anderes ankommt als s859. Etliche
Neudrucke älteren Schillerstoffs nimmt
man dankend entgegen, aber fie be-
deuten keine Kundgebung der Ge-
genwart. Der Ulmer Verlag von
H. Kerler gab eine Anzahl „Schil-
lerreden" von s959 neu heraus,
darunter namentlich die Reden von
Jakob Grimm und von F. Th. Vifcher;
die Mannheimer Rede des I. G.
Fischer fehlt und hätte leicht eines
der weniger wertvollen Stücke er-
fetzen können. Dann ist die Gefell-
fchaft der Bibliophilen in Weimar.
mit einem ersten Bande von Urtei-
len Schillerscher Zeitgenossen und
von Dokumenten anderer Art hervor-
getreten. Das Unternehmen heißt:
„S chillers Persönlichkei t."
Der Band ist reichhaltig, aber leider
nicht jedem ohne weiteres käuflich
zugänglich. Er enthält namentlich
die biographischen Niederschriften der
Geschwister und Karlsschulfreunde
Schillers, vor allem den berühmten
Bericht Streichers über die Stutt-
garter Flucht, den jetzt übrigens


auch H. Landsberg und Reclams
Universalbibliothek gesondert neu
herausgegeben haben. Neben solchen
Veröffentlichungen von Wert ist na-
türlich auch allerhand Unwertes anf-
getaucht. Es sei rasch darüber hin-
weggegangen. Ein Buch wie Adolf
Kohuts „Friedrich Schiller
und die Frauen" (Oldenburg,
Schulze) zählt recht zum Ueberflüssi-
gen. Es ist Zettelkastenliteratur, die
im wesentlichen Bekanntes bloß um-
registriert. Nirgends verrät das Buch,
daß fein Verfasser irgendwie tiefere
Eindrücke aus seinem Stoffe gewon-
nen hat. Und dann leistet er sich
nicht nur das ärmlichste Zeitungs-
deutsch, fondern schlimme journa-
listische Zeilenreißerei obendrein:
was kümmern uns all die Lite-
raten, die einmal in Lofchwitz ge-
haust haben? Was geht es uns
an, daß Bodenstedt kam, um
sich von einem Nafenleiden zu er-
holen!? Unter die Bücher, die aus
literarischer Geschäftchenmacherei ent-
standen, darf man auch das von
Theodor Mauch (bei Robert Lutz
in Stuttgart) veröffentlichte Opus
„Schiller- Anekdoten" einreihen.
Der Titel ist ein Lockmittel, denn
Schillers Leben ist kein ergiebiges
Sammelfeld für allerhand Witze. War
es vielleicht das fchlechte Gewissen,
was Mauch hoffen ließ: sein Buch
scheine geeignet, „eine eingehende
Beschäftigung mit Schiller und seinen
Werken anzuregen?" Bücher wie
dieses dürften vermutlich anu ehesten
von Leuten in die Hand genommen
werden, die weder vor noch nach
der Lektüre eine Neigung zu Schiller
selbst verspüren!

An Geschmacklosem auf dem Felde
der Schillerbiographie ist überhaupt
in diesen Monden allerlei geleistet
worden. Namentlich von denen, die
fich mit kurzen Darstellungen an
die Jugend und an breitere Volks-
schichten wandten, denen man weder

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