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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 17 (1. Juniheft 1905)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0325

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zipierten, malerischen Begleitung, bei welcher der Spieler möglichst ver-
gessen soll, daß er Pianist ist. Brodelnde Tongänge, „graue" Harmonien
schildern den „Trauerlaus" des Cocytus, des Stromes der Unterwelt, dem
nachgehend wir in den Tartarus gelangen. Alsbald ändert sich das Noten-
bild. Das Geschiebe der scharf rhythmisierten Stimmen spiegelt die Schmerz-
und Verzweiflungsgeberden der Verdammten. Ueberaus plastisch wird das
langsame, immer gespanntere Aufblicken durch die chromatische Steigerung
der Deklamation („ihre Blicke spähen bang nach des Cocytus Brücke") wieder-
gegeben, sehr anschaulich der träge Fluß in der Viertelbewegnng der Mittel-
stimmen, während der Gesang darüber mit einer weitgezogenen Trauerphrase
aufklagt. Und nun schildert eine obstinate Achtelbewegnng die eintönige
Oede des Schreckensortes, die, weit entfernt, monoton im abspannenden Sinne
zu wirken, mit jedem Takt ihren furchtbaren Eindruck steigert und die
Phantasie stärker in ihren Bann nimmt. Jnteressant ist auf dem Höhepunkt
des Ganzen die Behandlung des zweimal gebrachten Wortes „Ewigkeit",
wo einmal die absolute Erhabenheit des Begriffes, das zweitemal seine
verhängnisvolle Bedeutung für die Unterweltler durch den einfachen Wechsel
der Harmonie ausgedrückt wird. Mit mächtiger Stimme gesungen verfehlt
diese Musik ihre Wirkung nie. Man hat sie übrigens auch durch einen
Männerchor (nnisoiio) schon sehr wirksam zu Gehör gebracht.

Richard Batka

Unter den Beilagen dieses Hestes bringen wir von Gluck drei Stücke
ans der sogenannten Maienkönigin. Nicht der historische Geruch treibt
uns auf die Fährte dieses reizenden Liederspiels. Es ist die älteste Musik,
die wir heute zu einer szenischen Vorstellung genießen können. Aber wie mit
ewig-holder Gegenwart beglücken diese herrlichen Melodien. Absichtlich seien
sie vor Bruckner gestellt, als Belege zu dem, was Halm in seinem heutigen
Aufsatze über dienaive Melodie als Trägerin echten Fühlens ausführt. Un-
widerstehlich nimmt die Klage Philints gefangen: der k'-äur-Satz ist das
Muster einer ausdrucksvollen Melodiebildung. Jm dritten Takt vereinigen sich
auf dem ersten Viertel wie aus einem Pfeiler die Bogen der vorhergehenden
und der folgenden Takte; oder: jenes Viertel ist der Schwerpunkt, über dem
die ersten vier Takte schweben. Der Sänger tut gut, nach dem Worte „klang"
nicht zu atmen; sonst würde er ein bedauerliches Unverständnis an den Tag
legen. Aehnlich die Verhältnisse beim Wort „Sang". Jn der freien Ueber-
setzung läßt nun Kalbeck einen Fragesatz folgen; diese Wendung, auch in
der zweiten Strophe der Ausrufesatz, ist äußerst glücklich. Mnsikalisch be-
deutet in der Tat die melodische Linie zu dem „Ach, was soll nun das
Schalmein?" eine Frage. Die „Antwort" ertönt in dreifacher Bekräftigung,
wobei am Schluß die vergrößerten Notenwerte aufs schönste beruhigen. Das
Duett in O-äur, zwischen Lisette und dem Pächter, — wir bringen den ersten
Abschnitt — fesselt durch den Ausdruck feiner Schelmerei. Der Text ist
wiederum sehr gelungen und schmiegt sich dem musikalischen Bau eng an.
Umgekehrt wie im k'-äur-Stückchen ist hier die Trennung nach „gestehe"
und „Wehe" bemerkbar zu machen. Wie fein rafft die Melodie nun die
vier nächsten Takte als Einheit zusammen und steigert sie durch einen
dreitaktigen Anhang! Die Antwort des Pächters befestigt wieder die
viertaktige Gliederung. Jm weiteren Verlauf beachte man nach dem acht-
taktigen Zwischenteil wieder die sieben Takte der Lisette: sie haben, wie
der Beginn des Ganzen, die Pause nach dem zweiten Takt und schließen

h Fmnheft l905 279
 
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