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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1905)
DOI article:
Batka, Richard: Freiluft-Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0331

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frellust-IVlllsik

Jch sitze im Park und schaue ins Abendrot. Der Flieder duftet
und aus der Weite klingt Musik herüber. Zarte, das Gemüt weich
auslösende Musik. Jch lausche und genieße. Wie das Tonstück heißt?
Jst mir einerlei. Der Park in seiner Frühlingspracht, die laue
Lust, der Abend, die Duft- und Tonwellen — alles verschwimmt nnd
sließt in eine einzige Stimmung zusammen, deren beruhigender
Macht sich die Seele gerne gesangen gibt.

Daß entfernte Gartenmusik ihren Reiz hat, weiß eigentlich
jedermann. Aber seltsam ist es, wie sich in unsern ösfentlichen
Gärten und Parks die Menschen in die Nähe des Musikpavillons
drängen, wie er bei der Anlage schon fürs Auge in den Mittel-
punkt gestellt wird, wie auch die sogenannte Promenade so dicht als
möglich an der KapAle vorübersührt, wie hier überall der Grundsatz
zu gelten scheint: Je näher, je besser. Statt zwischen dem Orchester
und den Hörern einen entsprechenden Zwischenranm zu lasjen, schiebt
man die Tische ost dicht an den Pavillon, und es gibt wunder-
barerweise immer noch Menschen, die sich nicht schenen, stundenlang
in dem betäubenden Lärm der Janitscharenmusik auszuhalten, an
deren Ohren die wildesten Attaken der großen Trommel und des
Bombardons versagen. Leute aber, welche die Hörverhältnisse
eines Gartens ordentlich auskundschaften, die stillen Plätzchen durch-
proben, wo die Musik so oder so am besten tönt, gehören zu den
großen Seltenheiten. „Du lieber Himmel! Mnsik im Freien!
Davon wird man doch kein Wesen machen. Man nimmt sie eben
wie sich's trisft, und das Schöne an ihr, wenn sie von der Ferne
her klingt, ist doch nur, daß man ungestört dabei plaudern kann."
So reden die meisten. Die wenigen Feinschmecker der Gartenmusik
aber kosten alle sich darbietenden Nuancen aus, freuen sich an den
„natürlichen" An- nnd Abschwellungen des Getöns, die der Wind
in das Spiel zufällig hineinkomponiert, an den eigentümlichen ge-
dämpsten Klangfarben, welche sich aus den Resonanzverhältnissen
dieser oder jener Bank ergeben, an der von allen Nebengeräuschen
und Unreinheiten der Tonerzeugung aus dem Weg ans Ohr be-
sreiten Mischung der Klänge. Sie werden verklärt und — merk-
würdig zu sagen — zugleich dämmerhaft dabei, je mehr ich nnn
tiefer in den Park hineinschreite. Die Stimmen verschmelzen und
man glaubt sie doch deutlicher einzeln verfolgen zu können. Bum,
bum, bumbumbumm tost die große Trommel. Zuletzt hört man

2. Iuniheft 28t
 
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