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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 18 (2. Juniheft 1905)
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Dresdner, Albert: Neue Berliner Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0345

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gestaltung des Jnnenraumes geführt. Jch wüßte nicht, daß ein
Bedürfnis auch hierzu vorgelegen hat; Schinkels Theaterranm war
das Werk eines großen Raumkünstlers und Schmuckkünstlers zu-
gleich, ein Meisterwerk, das man hätte pietätvoll hüten follen.
Jndes was geschehen ist, ist geschehen, und ich meine nicht, daß
es ferner Zweck hat, über das Unabänderliche zu lamentieren.
Als ich nun zum ersten Male den von Baurat Genzmer, man
muß fchon sagen, neugeschafsenen Theaterraum betrat, war ich nach
den überans abfälligen Urteilen, die ich fast allgemein darüber ge-
lesen hatte, ich muß gestehen, angenehm überrascht. Zunächst sind
die alten Verhältnisfe des Schinkelschen Raumes beibehalten und
dadurch ist dem Ban die Grundlage gesunder Verhältnisse erhalten
worden. Jm übrigen kann man die erfolgte Umwandlung in Kürze
dahin kennzeichnen, daß der ganze Raum eleganter, zierlicher, weicher,
ich möchte sagen: Zärtlicher geworden ist. Dahin wirkt die neue
Farbenstimmung, bei der im Gegensatze zn dem Schinkelschen Haupt-
tone, einem kräftigen pompejanischen Rot, ein zartes Meergrün
vorherrscht; dahin serner die reiche Schmuckausstattung des Raumes.
Diese ganze Ausstattung zeigt die Neigung zum Feinen und Gra-
ziösen. Jm allgemeinen ist sie geschmackvoll; Einiges, wie die An-
bringung nnd Behandlung der Beleuchtungskörper, ist sogar be-
merkenswert gelungen, während bei anderem, insbesondere bei dcn
Figuren und Gruppen im Wedgwood-Stile, die Neigung zum Gra-
ziösen in Kleinlichkeit umschlägt. Der originellste architektonische
Gedanke des Raumes ist die Decke, deren Kreisrund in Kassetten
recht glücklich ausgebildet und belebt ist; gerade hier aber ist auch
zugleich der schwerste architektonische Fehler begangen worden, in-
dem diese Decke auf die ungegliederte und durch weißen Anstrich
als besonders leicht charakterisierte Wand ohne jede Darstellung
stützender, tragender Kräfte, nicht anders wie eine Käseglocke auf
einen Teller, aufgestülpt ist. Die technischen Verbesserungen sind
nach allgemeinem Urteile ungewöhnlich gelungen, einzelne neue
Raumgestaltungen wirken glücklich. Da man Schinkels alten herr-
lichen Konzertsaal zum Glück erhalten hat, so kann map den alten
und den neuen Raumstil leicht miteinander vergleichen. Das Er-
gebnis ist: Schinkels Werk war ein männliches, Genzmers trägt
einen weiblichen Charakter. Schinkels Raum war großartig, der
neue ist sein und liebenswürdig; der Schinkels erschien größer, als
er war, der Genzmers erscheint kleiner, als er ist. Schinkels Theater
war ein Tempel, den Musen geweiht; der neue Raum ist ein
reizendes fürstliches Haustheater von intimer und gefälliger Wir-
kung, — bei alledem einer der interessantesten und gesälligsten
Theaterräume, die wir besitzen. Albert Dresdner

2. Iuniheft 295
 
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