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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1905)
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Krug, Wilhelm Walther: Pastor Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0692

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inneren Einkehr und „Heiligung", wird zur Belohnung Oberverwalter und
heiratet infolge glücklicher Umstände jene Erzieherin. („Fahrenhöft", Roman.)

Oder: Ein Dorfschullehrer ist zum Leidwesen seiner Frau „ungläubig".
Jm Verein mit dem Schulzen tut er alles, um den „Muckern" einen Schaber-
nack zu spielen. So suchen sie die Versammlung der „Gläubigen" zu stören.
Als ihnen aber dabei einer der „Gläubigen" ehrenrührige Dinge vorwirft,
ist der Lehrer so überwältigt, daß er schnurstracks nachhause läuft und sich
bekehrt. Nach wenigen Wochen ist er unter den „Gläubigen" der Fanatischste.
Da gibt er in der Schule einem Kinde eine gewaltige Ohrfeige, im Zorn,
sodaß das Kind ohnmächtig liegen bleibt. Der Erfolg ist erstens, daß der
Lehrer seinen Hochmut einsieht und zum zweiten Male bekehrt wird, und
zwar nun zu einem „vernünftigen" Glauben; zweitens: das Kind, das bisher
ganz ungläubig war, wird auch bekehrt; drittens — aber diese Folge tritt
erst nach Jahren ein —: auch der Schulze, der Vater des Kindes, wird be-
kehrt. („Der gesegnete Schlag", aus der Sammlung „Den Meinen erzählt".)

Oder: Ein Provinzialstädtchen hat Besitz und Nutznießung einer Erb-
schaft, solange bis sich der Erbe meldet. Die Zinsen werden zu wohltätigen
Zwecken verwendet. Nun zieht einer, der sich durch seiner Hände Arbeit
ein Vermögen erworben hat, mit seiner Tochter in das Städtchen und da er
vermutet, daß das Erbe ihm zusteht, macht er es sür sich geltend. Jnfolge
davon wird der Verwalter der Erbschaft, aus Mitleid mit den Armen, denen
die Zinsen nun verloren gehen sollen, auf den Tod krank. Dessen Sohn,
der in die Tochter des angeblichen Erben verliebt ist, und die Tochter stellen
diesem das „Sündhafte" seines Begehrens vor, unterstützt noch von einer
alten Stadtarmen. Der Erbe, sonst eine resolute Person, ist überwältigt
und verspricht, seine Ansprüche fallen zu lassen. Jubel. Es kommt zum
Trost auch noch von dem Rechtsanwalt aus Berlin die Nachricht, daß das
Erbrecht sehr zweifelhaft sei. Erneuter Jubel. Verlobung. („Um ein altes
Erbe", aus der gleichen Sammlung.)

Oder: Ein „gläubiger" Gardeleutnant wohnt drei Tage in dem Wirts-
haus eines Provinzstädtchens, verliebt sich in die Kellnerin, verläßt den
Dienst und heiratet sie. Die sromme, aber adelsstolze Mutter verleugnet
den Sohn. Jn schwerer Krankheit wird sie von ihrer Schwiegertochter,
die in der Maske einer Krankenwärterin auftritt, liebevoll gepslegt. Das
verbindet die Herzen, sodaß bei der Entdeckung der List der Widerstand der
Kranken glücklich überwunden ist und sie auch ihr zweites Kind, ihre Tochter,
einem Bürgerlichen, nämlich dem „gläubigen" Pastor, zur Frau gibt. Durch
die Pflege der Kranken ist auch die bis dahin „weltliche" Leutnantsfrau
„gläubig" geworden. („Der Vasenpfennig", Novelle „aus dem Leben der
Gegenwart".)

Oder: Einer wird insolge eines Schiffsunglücks „gläubig". Diese Ge-
schichte unterscheidet sich von anderen ähnlichen durch den schönen Gedanken,
daß der „Gerettete" eine „christliche Buchhandlung" gründet.

Oder — hat man vielleicht genug? Jch fürchte. Was ist uns nun bei
all diesen Geschichten aufgefallen?

Zunächst wohl die Einfachheit des Stoffes, der übrigens fast immer
der gleiche ist: jemand wird infolge irgendwelcher Ereignisse fromm. Wohl,
Einfachheit ist kein Mangel; auch kann man den gleichen Stoff auf die ver-
schiedensten Arten behandeln. Wie wird der Stoff hier behandelt? Mir
scheint so: es gibt Leute, die fromm sind und Reden halten. Ferner gibt

2. Septemberheft (905 6N
 
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