Beria: Hilf mir, Herr, ich bin ohne Hoffnung!
Viele (rufen): Hilf, Herr!
(Alles geht ab. Die Wohlhabenden ins Bethaus. Die Armen an
das Afer. Es bleiben nur der alte Samaha links am Hause des Zachäus,
Nathanael und Spintharos rechts am Hause des Asarja. Spintharos
hat sich auf die Bank unter den Rebstöcken gesetzt.)
Nathanael: Schwere Stimmen rufen mich hier und hier. —
Richten soll ich dort über den, der nach meinem Vater Steine warf.
Da rufen sie mich zur Erlösung. Banger Zweifel ist in mir! Rate du
mir, Spintharos. Was sagt deine Weltweisheit? Wohin soll ich gehen?
Spintharos: Meine Weltweisheit schweigt und geht allein ihren
Weg. Ich bin kein Richter und bin keiner, der erlöst werden will! (Er
hat Weinlaub gepslückt und flechtet es sich ius Haar.)
Nathanael: Was machst du da?
Spintharos: Ich flechte Weinlaub in mein Haar. Ein alter
Aberglaube meiner Heimat hält dies für ein Mittel gegen alles Nnglück.
Vor allem gegen Armut, Krankheit, Lahmheit, Blindheit und fremdes
Mitleid. Wenn du aber wissen willst, was ich von diesen Rusern halte,
so kann ich dir es mit einem Worte sagen: Nichts!
Nathanael: Wohin gehst du?
Spintharos: Irgendwohin, wo die Sonne scheint. Ich suche
Freude und Lust.
Nathanael: Du gehst allein?
Spintharos: Philosophen gehen immer allein. Daran sieht
man oft, wie recht sie haben. (Ab links.)
Nathanael: Es lauert etwas hinter dem Leben. Eine Macht.
Etwas Schweres, Tiefes und Nnlösbares! Wir wissen nichts! Nicht
einmal, ob es grauenhaft oder wundervoll, ob es ein wildes Tier oder
ein Gott ist! All unser Wissen darüber ist trübe Ahnung. (Draußen
schreit einer: „Erlösung!") Ich gehe mir die Erlösung suchen!
Es wird ganz still; der alte Samaha spricht wie im Traum:
Noch nie war es so still! Warum verstummen die Menschen mit eins?
Warum schweigen die Vögel in Andacht? Warum brennt die Früh-
lingssonne sengender als sonst? Warum klingt die Luft und rauschen
die Wipfel wie Psalmengesang? Warum duften die Blüten inniger? —
Ich fühle: Gott geht vorüber! (In höchster Verzückung auf die Knie
fallend:) Sein Sohn ist auf Erden gekommen! Der Erlöser ist da!
Der Messias! (Er wendet sich zum Gehen.)
Der Neichtum vor die Front!
In einer großen Stadt Amerikas
sollte kürzlich ein Krankenhaus für
Deutsche gebaut werden. Die Bei-
träge sammeln wollten, kamen zu-
nächst zu den reichen Volksgenossen.
Aber die schließlich die Beiträge in
ihrem überwiegenden Hauptbetrage
für dieses deutsche Krankenhaus
gaben, waren nicht die Deutschen
unter den Amerikanern, sondern die
andern. Das ist nicht erfunden,
sondcrn es ist Tatsache, und es
begab sich in einer Stadt, in der
auch unter den Deutschen Amerikas
blühender Wohlstand zu finden ist.
Roosevelt mag recht haben: es
wäre besser, wenn die Milliardäre
2. OktoberhefL (906
9!
Viele (rufen): Hilf, Herr!
(Alles geht ab. Die Wohlhabenden ins Bethaus. Die Armen an
das Afer. Es bleiben nur der alte Samaha links am Hause des Zachäus,
Nathanael und Spintharos rechts am Hause des Asarja. Spintharos
hat sich auf die Bank unter den Rebstöcken gesetzt.)
Nathanael: Schwere Stimmen rufen mich hier und hier. —
Richten soll ich dort über den, der nach meinem Vater Steine warf.
Da rufen sie mich zur Erlösung. Banger Zweifel ist in mir! Rate du
mir, Spintharos. Was sagt deine Weltweisheit? Wohin soll ich gehen?
Spintharos: Meine Weltweisheit schweigt und geht allein ihren
Weg. Ich bin kein Richter und bin keiner, der erlöst werden will! (Er
hat Weinlaub gepslückt und flechtet es sich ius Haar.)
Nathanael: Was machst du da?
Spintharos: Ich flechte Weinlaub in mein Haar. Ein alter
Aberglaube meiner Heimat hält dies für ein Mittel gegen alles Nnglück.
Vor allem gegen Armut, Krankheit, Lahmheit, Blindheit und fremdes
Mitleid. Wenn du aber wissen willst, was ich von diesen Rusern halte,
so kann ich dir es mit einem Worte sagen: Nichts!
Nathanael: Wohin gehst du?
Spintharos: Irgendwohin, wo die Sonne scheint. Ich suche
Freude und Lust.
Nathanael: Du gehst allein?
Spintharos: Philosophen gehen immer allein. Daran sieht
man oft, wie recht sie haben. (Ab links.)
Nathanael: Es lauert etwas hinter dem Leben. Eine Macht.
Etwas Schweres, Tiefes und Nnlösbares! Wir wissen nichts! Nicht
einmal, ob es grauenhaft oder wundervoll, ob es ein wildes Tier oder
ein Gott ist! All unser Wissen darüber ist trübe Ahnung. (Draußen
schreit einer: „Erlösung!") Ich gehe mir die Erlösung suchen!
Es wird ganz still; der alte Samaha spricht wie im Traum:
Noch nie war es so still! Warum verstummen die Menschen mit eins?
Warum schweigen die Vögel in Andacht? Warum brennt die Früh-
lingssonne sengender als sonst? Warum klingt die Luft und rauschen
die Wipfel wie Psalmengesang? Warum duften die Blüten inniger? —
Ich fühle: Gott geht vorüber! (In höchster Verzückung auf die Knie
fallend:) Sein Sohn ist auf Erden gekommen! Der Erlöser ist da!
Der Messias! (Er wendet sich zum Gehen.)
Der Neichtum vor die Front!
In einer großen Stadt Amerikas
sollte kürzlich ein Krankenhaus für
Deutsche gebaut werden. Die Bei-
träge sammeln wollten, kamen zu-
nächst zu den reichen Volksgenossen.
Aber die schließlich die Beiträge in
ihrem überwiegenden Hauptbetrage
für dieses deutsche Krankenhaus
gaben, waren nicht die Deutschen
unter den Amerikanern, sondern die
andern. Das ist nicht erfunden,
sondcrn es ist Tatsache, und es
begab sich in einer Stadt, in der
auch unter den Deutschen Amerikas
blühender Wohlstand zu finden ist.
Roosevelt mag recht haben: es
wäre besser, wenn die Milliardäre
2. OktoberhefL (906
9!