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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 8
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Batka, Richard: Musikvöllerei
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Avenarius, Ferdinand: Die Werke und wir, [3]: "Die Penaten" von Albert Welti
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0548

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erlittenen körperlichen Strapazen, um die Bedeutung dieses Unter--
schiedes zu verstehen. Seine Lrklärung bietet keine großen Schwierig-
keiten. Der Ausführende ist eben in jedem Augenblicke vollständig
von seiner Aufgabe gefesselt, sie hält seinen Geist unverwandt in
Spannung. Der Hörer braucht einen guten Teil seiner Spannkrast
schon, um andre Gedanken wegzudrängen, um sich auf das Darge-
botene zu sammeln. Diese Sammlung der Phantasie, dieses bewußte
Abblenden aller vom Kunstwerk ablenkenden Eindrücke trägt nicht
wenig zur frühen Ermüdung beim passiven Musikgenusse bei. Wes-
halb ja auch Dunkelheit des Saales und sonstige Hemmvorrichtungen
gegen den andrängenden Alltag die Ausnahmefähigkeit kräftigen und
verlängern.

Unter solchen Gesichtspunkten wäre das Ergebnis unsrer Betrach-
tung in Kürze dieses: Mnsiziere sür dich, so viel dir's beliebt. Wenn
du aber für andere musizierst, dann miß ihre Ausnahmefähigkeit
nicht an deiner eigenen Lrregung, sondern bedenke, daß deine Hörev
viel rascher ermüden müssen als du. Eine Einsicht, die dich und
sie am ehesten vor allen Sünden und Folgen der musikalischen
Völlerei bewahren wird.

Prag Richard Batka

Die Werke und wir

3 „Die Penaten" von Albert Welti

„Mit dem Toten wandern Geister aus,
Die im Leben ihm den Becher reichten,
Sd und leer wird nun das Haus,

Ohne Sang und ohne Leuchten."

Im vierten Heft dieses Iahrgangs hab ich von Weltis „Penaten"
als von einem Meisterwerke gesprochen. Ich habe darauf hin eine
Anzahl von Zuschriften bekommen. Keine einzige unmittelbar mit
Widerspruch, einige mit befonders freudiger Zuftimmung, aber merk-
würdig viele mit dem Bekenntnis: „wir kommen bei diesem Werke
nicht durch zum Genuß, und doch ist uns so, als sei etwas Großes
darin; wir ahnen, aber wir sehn noch nicht". Im Anschluß daran
die Bitte, von diesem Bilde noch einmal und ausführlicher zu sprechen.
Ich will das versuchen. Als Abbildung wird der Kupserdruck vor
Heft den meisten genügen. Besser wird meine Freude an diesem
Werk teilen, wer den farbigen Vorzugsdruck des Kunstwarts zur
Hand nimmt. Ganz aber vielleicht doch erst, wer das Original ge-
sehen hat, das jetzt leider durch Privatbesitz der Allgemeinheit ent-
zogen ist.

Wer ein Kunstwerk genießen möchte und wem es sich doch nicht
nah genug zeigen will, dem bleibt nichts übrig, als selber vor allem
den richtigen Standpunkt zu suchen, auf dem er dem Künstler so
nahe sein kann, wie der Forstwart dem Wilde, das er beschlichen
hat. Von einer Anzahl von Standpunkten aus sieht einer die Schön-
heit unsres Kunstwerks nie, wenn er sie nicht vorher schon gesehen
hat. Man kann ein Bild ansehen auf die Treue der Naturnachahmung
hin — vor diesem hier führte das zunächst zu nichts. Man kann
es ansehen auf seinen farbigen Klang — auch das würde hier zu-

2. Ianuarheft t907
 
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