Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1907)
DOI Artikel:
Es muss etwas Gründliches geschehen! Ein Mahnwort in letzter Stunde
DOI Artikel:
Kraftelos, Egon Heribert: Das Heim des Sensitiven: zugleich eine Anweisung zu modernster Zimmerausstattung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0616

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dings, wenn man an van Gogh denkt, fast zum Mal-Männchen
zusammenschrumpfende Rembrandt.

Es sei offen zugestanden: auch sie tragen an der Böcklin-Mode
Mitschuld, denn sie alle haben versäumt, was Manet und Liebermann
als die wahrhaft Unsterblichen getan: sie haben versäumt, uns
über der Bewunderung ihres Wie das Was ihrer Gemälde zu ver-
ekeln. Oder kann man ihre Gestalten nicht tatsächlich ansehen, ohne
daß einem der Appetit vergeht? Also! Sieht man denn nicht, daß
mit dieser schlichten Tatsache der Beweis dasür erbracht ist, daß ihre
Bilder auss Volk irresührend wirken müssen? Irreführend, als
hätten sich diese Maler nicht nur für Farbenflecke, sondern — wie
lächert's einem! — auch für das, was sie darstellen, interessiert?
Wie soll im Volk der Sinn für Farbenflecke als das allein Wesenb-
liche in der Kunst sich bilden, wenn immer wieder der Wahn genährt
wird, es sei den sogenannten alten Meistern auch auf Gesichter und
Gestalten, Madonnen, Heilige usw. irgendwie angekommen?

Gut. Dann gibt es nur e i n Mittel, um in Zukunst die Malerei
rein als Malerei genießen zu lassen. Lin radikales Mittel, ich gebe
das zu, aber das einzige. Die wahre Kunsterziehung verlangt: alle
Bilder in sämtlichen Galerien, Kirchen usw. verkehrt aufzuhängen.
Mit den Köpsen nach unten, meine ich. LrstwenndieMalerei
allgemein auf dem Kopse steht, wirkt sie rein als
Malerei.

Aber auch damit kann sich nicht begnügen, wer die von Meier^-
Graefe so maßvoll gezeichnete Gesahr erkennt. Wenn das Schifs der
gesamten Kultur im Sturme der Roheit schlingert, müssen alle Kräfte
zur Hilse an Bord, auch die rein intellektuellen. Es gilt so etwas wie
ein einjähriges Dienstjahr aller Gebildeten einzurichten. Während
dieses Dienstjahres im Interesse der Allgemeinheit soll die gesamte
deutsche, besser (wenn es internationalen Verträgen gelingt) die ge-
samte europäische Intelligenz daran arbeiten, das große Werk zu voll-
enden, das Meier-Graese begonnen hat. Für eine Kraft, auch für
eine gigantische, war es augenscheinlich zu groß. Also: ein allgemeines
Studium von Meier-Graeses „Fall Böcklin"! Hat doch dieses Werk
mit den Offenbarungen jedes wahren Propheten die Dunkelheit ge-
nommen. Man denke an seine Lehre von den Einheiten. Vielleicht,
daß es dann der Menschheit gelingt, zu ersorschen, was sich der Große
eigentlich dabei gedacht hat! A

Das Heim des Sensitiven

Zugleich eine Anweisung zu nivdernster Zimmerausgestaltung
Liebster Alfred Arthur!

Ich habe es endlich, das Heim, würdig, die Wiege meiner Zu-
kunftsschöpfungen zu sein! Berlin 'UV? natürlich; fern den grellen
Dissonanzen des Verkehrs, im Gartenhaus, dem Himmel geradezu
unwahrscheinlich nahe. Lin Raum selbstverständlich nur, die Ein-
heit meines Daseins, oder, wenn ich ausgehe, meines Nichtdaseins
klar verkörpernd. Die große, klare Linheit, deutlich zusammengerasft
durch die strenge Linie der Scheuerleisten. Wehe der Vielzimmerigkeit!

s. Februarhest VOc' 509
 
Annotationen