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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 9 (1. Februarheft 1907)
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Avenarius, Ferdinand: Idealisiert die Literatur!
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Weingartner, Felix: Musikalische Walpurgisnacht: ein Scherzspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0595

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gegangenerr Doppelhochzeit. Will man noch ein übriges tun, so kann
man den Höhepunkt des Festes durch die Verleihung des Hofrattitels
an Faust durch Seine Majestät den damaligen Kaiser krönen.

Der Gedanken-Alp, der auf den Dichtern und Denkern gelastet
hat, bis uns nun endlich die Besreiung kam, war so: das
Idealisieren bedeute die Gestaltung der Idee, die in der Sache
steckt. Das war natürlich außerordentlich schwer, setzte es doch zunächst
schon voraus, daß man diese Idee sah, womöglich gar, daß man sie
mit Kopf und Herzen nachlebte! Dieses forderte gewissermaßen
eine Gabe, und selbst wer sie hatte, mußte sich sehr anstrengen dabei.
Der wahre Idealist braucht das alles nicht. Er kommt wie ein guter
Kindersreund daher, in der einen Tasche Firnis und Blattgold, in
der andern die Düte mit marzipanenen Glücksschweinchen. And wie
der gewandte Stubenmaler den Küchenschrank veredelt, indem er ihn
in „Saloneiche" ummalt, oder der geschickte Tischler, indem er ihm
herrliche Muscheln ausklebt, so malt und klebt er eben das Ideale aus.
Lohnt sich's der Mühe, so kann er dem Stoffe ja irgend ein Bein
absägen und anderswo anleimen. Und kann er an einem alten
Möbel die Idealität gar nicht anders unterbringen, dann benützt er's
eben als Attrappe und steckt sie hinein, wo ein Loch ist.

Aus den Vorschlägen, die ich mir — ganz unmaßgeblich! — zu
machen erlaubte, erweist sich als Folge dieser Art Idealisierens auch eine
glückliche Heiterkeit. Ich meine nicht etwa die eines lesenden Spötters,
ich meine die, welche das Weltbild selber dadurch gewinnt. Und muß der
Held nach der Wurst auch zappeln, schließlich kriegt er sie doch! Die
Freudigkeit, für die in diesen Blättern so lebhaft gesprochen worden,
nun ist sie da: denn wohin du blicken magst, es sind gnte Menschen,
die dir die Dichtung zeigt. And es gibt fürder nur Probleme, die du
bereits mit dem Verstande des srühen Menschenfrühlings ohne jeg-
liche Bemühung verstehen kannst. In Wohlgefallen löst sich das Tra-
gische und damit zugleich ja auch das Traurige auf. Nicht mehr
gleich Sinnenden, Suchenden, Arbeitenden, Ringenden, Kämpfenden
braucht die Menschheit dann ihr Lrworbenes gipselwärts zu schleppen,
noch braucht sie nach Quellen im harten Fels zu bohren, noch gar sich
zu bekämpfen, bis Wunden klafsen und Herzen brechen: nein, rosarot
hat sich der Dunst der Höhen in die Täler gesenkt, und sriedlich durch-
wandelt sie ihn dem leise anspornenden „He!", dem sanft warnenden
„Weh!" und, wo rings die Lrnte reif ist, dem freundlich ermuntern-
den „Mäh'!" ihrer leitenden Häupter nach. A

Musikalische WalpurgisnachL

Ein Scherzspiel von Felix Weingartner

(Als der Vorhang aufgeht, ist es stockfinster. — Dann hört man
einen Dreiklang. Im selben Augenblick wird ein grünes Bergtal sicht-
bar. Professor Dr. Ranunkel, modisch gestutzter Bart, Glatze, Kneifer
auf der Nase, schwarzer Gehrock, steht ungefähr in der Mitte. Er hat
ein riesiges Stück Papier um den Leib gewickelt. An den Händen hält
er seine beiden Schüler Windfahn und Ehrlich. Die drei sehen
sich zuerst verdutzt an; dann fahren sie auseinander.)

H88 Kunstwart XX, 9
 
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