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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 4 (2. Novemberheft 1906)
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Muthesius, Hermann: Die Erziehung zur Architektur: Leitsätze aus einem Vortrage auf dem 7. Internationalen Architekten-Kongresse in London 1906
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Sprechsaal: der Feldzug des Türmers gegen den Kunstwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0248

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stellung von der räumlichen Wirkung eines Architekturwerkes zu geben.
Die graphischen Vorsührungen erregen meist nur Interesse durch die
Art der Darstellung und geben dadurch meist unvorteilhafte Vergleichs-
punkte mit den Werken der darstellenden Künste.

Ein mächtiges Mittel der Erziehung zur Architektur ist auf
dem Wege der Literatur gegeben, die beim heutigen Publikum auf
allen Gebieten die beste Handhabe zur Beeinflussung des menschlichen
Geistes ist.

Es hat in diesem Sinne jedoch wenig Bedeutung, wenn be-
lehrende Aufsätze lediglich in der architektonischen Fachpresse gedruckt
werden, denn diese ist für das Publikum so gut wie nicht vorhanden.
Die Tages- und Zeitschriftenpresse ist der Boden, auf welchem gewirkt
werden muß.

Leider aber liegt hier die Gefahr vor, daß die ständigen Mit-
arbeiter nicht genügend architektonisch gebildet sind, um eine wirk-
liche gesunde Beeinslussung ihres Leserkreises zu gewährleisten. Es wäre
daher anzustreben, daß diejenigen Architekturschriftsteller von Bedeutung,
die heute meistens von der Fachpresse absorbiert sind, einen Teil ihrer
Zeit der schriftstellerischen Tätigkeit in der allgemeinen Presse widmeten.

Neben der Tagespresse sind ösfentliche Vorlesungen, wenn von
wirklich berufener Seite vorgenommen, ein Mittel gesunder Erziehung
des össentlichen Interesses an Architektur. Die Architekten-Verbände
sollten dahin wirken, daß an den Universitäten, den Volksbildungs-
anstalten der verschiedensten Art, in Vereinen und an Schulen Vor-
lesungen über Architektur gehalten würden.

Alle Beeinslussung durch Literatur oder das gesprochene Wort
haben jedoch nur dann Wert, wenn sie von modernem Geiste getragen,
von wirklich fachmännischer, geistig hochstehender Seite ausgeübt werden
und wenn sie sich mit modernen Werken beschäftigen. Es ist zwar
ein sichererer Boden, Betrachtungen über alte Kunstwerke anzustellen,
allein erfahrungsmäßig wird dadurch ein vorwiegend romantisches In-
teresse erweckt, das für die Werke der Gegenwart belanglos ist. Außer-
dem ist an Aufsätzen und Vorlesungen dieser Art kein Mangel. Eine
Kunstpolitik, die der Gegenwart nutzen soll, muß sich mit der Gegen-
wart beschästigen. Eine Erziehung des Publikums zur Architektur
kann nur als Ausgangspunkt die besten Beispiele der von Gegen-
wartsgeist getragenen Werke der Architektur wählen. Gegenwartswert
hat stets nur das im besten Sinne Moderne.

Berlin Hermann Muthesius

Der Feldzug des Türrners gegen den Kunstwart

Herr Baron Ieannot von Grotthuß zwingt jetzt, Iahre nach dem
Abschluß meiner Polemik mit ihm, durch einen Prozeß dazu, die Leser
noch einmal mit dem zu beschäftigen, was das Gericht als die „in be-
wußtem und gewolltem Zusammenwirken" von Grotthuß und Lienhard
gegen mich gerichtcte „Angriffe" erkannt und bezeichnet hat. Warum
mein Herr Gegner so verfährt, das wird man nach dem Rückblick und

2. Novemberheft l906

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