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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 11 (1. Märzheft 1907)
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Batka, Richard: Lehrhafte Musik
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Leixner von Grünberg, Otto: Die Zerlesenen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0781

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streng Verbindliche, Festbestimmte, bannend Gesetzmäßige eines Ge-
dankens wiederzugeben, bedienen sich die Komponisten gern der
strengen Formen des Kanons und der Fuge, wobei die Äbernahme
des Themas durch sämtliche Stimmen gleichsam wie eine allseitige
Bestätigung wirkt. Diese Verbindung eines didaktischen Inhalts mit
kanonischer Form ist als Äberlieferung so mächtig, daß z. B. Weber
in dem Liede „Die fromme Magd" die Vorschriften sür eine recht--
schaffene Dienerin reichlich mit kanonartigen Imitationen zwischen
Singstimme und Klavierpart ausstattet, wo es als Unterstützung des
Vortrags kaum mehr empsunden ist. —

Man sehe sich ferner Iugo Wolfs zweites „Kophtisches Lied"
an als ein Meisterstück in der Behandlung lehrhafter Texte. Der
Gesang bietet kaum mehr als eine scharfe „Betonung" der Text--
worte, und dem Klavier bleibt kaum etwas zu sagen. Aber dann
greift Wolf im Nachspiel das strasse, gebietende Motiv auf, das
die Pointe des Gedichtes („Du mußt steigen oder sinken" usw.) be--
gleitete, führt es in rein instrumentaler, marschmäßiger, jeden Wider--
spruch niederzwingender Steigerung weiter und ersüllt uns erst „voll
und ganz" mit dem Gesühlswert des Gebotes. Wer darnach noch
nicht den Mut sühlt „sich in die Welt zu wagen" — dem ist eben
nicht mehr zu helfen.

Die leichtfertige Ansicht, welche alles Lehrhafte aus dem Rm-
kreise der Tonkunst als „unmusikalisch" verbannen möchte, wird schon
durch diese Beispiele hinsällig. Gewiß, ihre größte Stärke entsaltet
die Musik in Schöpfungen dieser Art nicht, sie bilden nur eine
ihrer Provinzen, nicht das Kernland. Aber der Engherzigkeit, welche
den Tonausdruck am liebsten nur aus Liebes-- und Naturempsin-
dungen beschränken möchte, entgegenzutreten und darauf hinzuweisen,
daß der Musik mittel- oder unmittelbar die ganze Fülle der Lebens-
gefühle zugänglich ist, das dürfte von Zeit zu Zeit doch nicht ganz
überslüssig erscheinen. R Batka

Die Zerlesenen*

„Das muß der Gebildete gelesen haben/
„Das muß der Gebildete gesehen haben.*
„Das muß der Gebildete gehört haben."

Muß, muß, muß — in langer, langer Reihe. In zahllosen
Bücherankündigungen, in Besprechungen von Werken des schönen

* Wir haben gegenüber Leirners Ausführungen über „ästhetische
Kultur" für eine klarers Trennung zwischen Ästhetenkultur und ästhe--
tischer Kultur, gesprochen, man könnte auch sagen: zwischen ästhetischer
Außen-- und Innenkultur. Mit um so größerer Freude geben wir Leixner
hcute das Wort, indem wir den folgenden Aufsatz aus seinen „Fußnoten
zu Texten des Tages" abdrucken. Hier fühlen wir uns als seine Ge-
siunungsgenossen bei jedem Satze, fast bei jedem Worte. Äberhaupt
möchten wir sein (bei Emil Felber in Berlin erschienenes) Buch wegen der
erwähnten Vorbehalte unsern Lesern nicht etwa weniger empfehlen. A

1 ööö Kunstwart XX, st ^
 
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