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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 11 (1. Märzheft 1907)
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Leixner von Grünberg, Otto: Die Zerlesenen
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0786

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brechen, das ihr alle Weisheiten des Tages aufdrängen will. Denn
die Zerlesenen werden niemals Persönlichkeiten.

Otto von Leixner

Berlin

Lose BlLtLer

Aus Gerhart Hauptmanns „Zungfern vom Bischofsberg"

kIu der Lößnitz bei Dresden liegt hoch in den Weinbergen ein
altes Schlotz, man sagt, einst hab' es den Meißner Bischöfen gehört, nun
aber hausten mit ihrem alten Onkel fünf verwaiste Fräulein darin, und
drei von ihnen wurden von drei Brüdern Hauptmann die Bräute. Ietzt
ist es in fremdem Besitz, aber wer von den alten Insassen und Gästen
drunten im Tal vorüberfährt, den grüßt es von oben wehmütig und süß
wie Iugend. „Wenn ich mal einen Sommernachtstraum schreiben sollte,
so kann er nur dort oben spielen!", so rief der junge Gerhart einst einem
Reisegefährten zu. Fünfzehn Iahre später hat er wirklich seinen „Sommer-
nachtstraum" geschrieben, und in Hohenhaus spielt er, wenn auch aus
Meissen und Dresden im Stücke Naumburg und aus der Elbe die Saale
geworden ist.

Der feine und frohe alte Ruschewey ist nun seit einem Iahre tot,
und an seiner Stelle hütet die Schar der Töchterlein ein Bruder, der
seines Geistes ist. Eines Geistes, der die Trauerfarbe vom Schwarz in
allerlei lichtere Töne umsärbt, als gälte hier Klopstocks Rat: seid fröhlich,
ich war's ja anch, seid es so, als wenn ich noch dabei wäre. Er hat sie noch
nicht umgefärbt, er tut's erst, und die helleren Flecken wachsen bei den
Iüngsten natürlich zuerst, zur scheelen Besorgnis der trüblichen Tante,
unter der sorglichen Pflege des heitern Ohms. Denn der weist die Freier
zwar aus dem Hans, die nur nach Goldfischen angeln wollen, und den
arroganten Pedanten mag er auch nicht, den sich Agathe aufgehalst hat,
als sie sich verlassen glaubte, aber den scheinbar Angetreuen, der nun,
aus der Ferne hergekehrt, mit seinem überlegenen Freunde, dem polnischen
Doktor, in der Nähe herumschmachtet, den besorgt er wieder ins Haus.
Der fatale Obsrlehrer nimmt alsdann einen Iungen-- und Mädel-Rache-
streich so albern übel, daß er von sich erlöst; Agathe bekommt ihren
Grünwald; der Pole, der den Anschluß an die Iugend verpaßt hat,
wird sich dessen bei dem lieben Backfisch Lux mit der Wonne der Wehmut
bewußt; und in einem Lampionumzuge endet das Stück mit Iugendlust,
in der einige Seufzer bescheiden verhallen.

Fast könnte man sagen: das ganze Spiel ist solch ein Lampion--
umzug. Es will gar keinen nächsten Weg auf irgend ein Ziel hingehen,
in einem alten zauberischen Garten will es sich einfach ergehen, herum-
wandeln will es bei bunten Lichtern, die liebe Menschen tragen, die
Gesichter der andern beleuchten, wie sie sich wohl dabei ausnehmen,
Wege und Büsche, wie sie darin schimmern, und was sonst im verdäm-
merten Damals webte und wuchs. Deshalb bedeutet es in dicsem Falle
ausnahmsweise keinen Klatsch, wenn man an die ganz persönlichen Be°
ziehungen Hauptmanns erinnert: es weist uns zu der Zuschauerstelle, auf
der er selber stand, als er diese Idylle sah. Ach, aus der Idhlle sollte
aber ein Theaterstück werden. Da gab's Steine auf dem Weg. Ich habe
selten den Gegensatz zwischen duftigem Schein und körperlicher Wirklich»

s. Märzheft OO? ess
 
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