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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 10 (2. Februarheft 1907)
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Thümer, Anton: Pflanzt Bäume und am rechten Ort!
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0701

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Welt, bei dir ist Krieg und Streit,

Nichts denn lauter Eitelkeit —

Und nach kurzer Pause folgt von langen ewigen Tönen ge-
tragen der Schluß:

In dem Himmel allezeit
Friede, Freud und Seligkeit."

Es ist das Aberfließen ins Unendliche, ohne welches auch unser
größter Dichter fein größtes Werk nicht zu beschließen vermochte.

Wer nach solchen Eindrücken die Kirche verläßt, der hat Kraft
für das Leben und neue Freude zur Arbeit in der Welt, denn er
fürchtet den Tod nicht, und ftrebt mit veredeltem Willen, den kom-
menden Geschlechtern zur Vollendung in die Hand zu drücken, was
er selbst von Unzulänglichem noch nicht Ereignis werden ließ.
Lübeck Langen

Pflanzt Bäume und am rechten Ort!

Das geht mir immer und immer wieder durch den Sinn, wenn
ich auf Ausstellungen, in Sammlungen, in Schaufenstern die schier
unendliche Anzahl von Gemälden, Aquarellen, schwarzen und bunten
Drucken sehe, in denen ein ganzer Stab von Künstlern und Künst-
lerinnen unsere liebe Heimatsnatur verherrlicht, daß einem das Herz
im Leibe lacht. Man sollte glauben, daß wir in einem wahren Para--
diese wandelten, denn die Bilder sind doch echt, will sagen, sind der
Natur entnommen, die verschiedenen Stimmungen sind ihr abge--
lauscht. In Wirklichkeit ist aber dies unser Paradies stellen-, ja
streckenweise recht öde oder wenigstens einförmig, und wenn wir
draußen Erholung und Ersrischung für unsern geplagten Kops und
die zerquälten Nerven suchen, so möchten wir uns erst wer weiß wie
weit transportieren lassen, um ein friedliches, lauschiges Plätzchen
zu findeu. Und dabei redet's in uns, daß wir solche doch viel näher
und bequemer haben könnten. Nämlich: wenn wir so klug wären,
sie uns zu schasfen. Wir brauchten doch nur unsern Verstand und
den Geschmack, der uns noch übrig geblieben ist, in Bewegung zu
setzen, um die schönen Dinge, die uns die Maler hereinbringen in
unsre Mauern, wieder hinauszutragen in die Natur. Plätze sind ja
genug da, nur lauschig sind sie leider nicht. Wir haben uns ja aus
allen möglichen sehr ernsthaft bekannten Gründen der „Ordnung",
des „besseren Aussehens", besonders aber der „wirtschaftlichen" Vor-
teile willen mit so ausgiebigem Erfolge bemüht, allerlei Arwuchs
von Nessel, tzopfen, Rainfarren, Beifuß und was weiß ich zu be-
seitigen, obgleich das alles näher besehen voll heimlicher und offener
Schönheiten war, mit denen es nun vorüber ist. Wir sind auch über
die Alt- und Buhnenwässer an den Seiten des Stromes hergesallen,
hier zu Lande „Haven" genannt, einst vielbelebte Freistätten für
Kolben, Binsen, Froschlöfsel, Pseilkraut, Wasserviole mit prächtigem
tzalm-, Blatt- und Blütenwerk, und für allerlei schreckhaftes Getier
unter und über dem stillen Wasserspiegel: wir haben diese „wilden
Wasser^ zugeschüttet und ihre Flächen gegen den Strom durch einen

2. Februarheft SS7
 
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